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Im Kaufhaus ist der Teufel los

Im Kaufhaus ist der Teufel los

Titel: Im Kaufhaus ist der Teufel los
Autoren: Stefan Wolf
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Toilette benutzt und die
Feuertreppe. Er wusste, wo die Büros waren und wann der Hausdetektiv seine
Runde machte. Das Büro des Personalleiters lag günstig: in der fünften Etage,
zwischen Video/Audio-Abteilung und den Orientteppichen, von denen immer noch
die meisten unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt werden, nämlich von
Kindern, die in Drittländern als ‚Arbeitssklaven’ skrupelloser Unternehmer in
deren Fabriken bei 90 Stunden pro Woche — oder mehr — die Teppiche knüpfen.
Kleine Hände, die sich kaputt schuften für westlichen Luxus. Den Erpresser
interessierte das allerdings einen Dreck. Er dachte nur an die fünf Millionen —
Euros oder wenigstens D-Mark.
    Musikalische Berieselung aus
allen Lautsprechern. Weihnachtsmusik — natürlich zum Kaufen, Schmelzige
Ansagen. Lobpreisung dessen, was man unbedingt haben muss. Auch Pelzmäntel —
von vergasten Nerzen, erschlagenen Füchsen oder gemeuchelten Zobel — waren
wieder sehr gefragt.
    Fünfte Etage.
    Flauch hatte seinen Mantel
geöffnet. Es war heiß im Kaufhaus. Wie hielten die Verkäufer/innen das
stundenlang aus?
    Er schob sich vor zur
Audio-Abteilung, wo jede Art der Beschallung erstanden werden kann. Kassetten
und CDs in vielen Regalen. Dort die Popmusik mit den aktuellen Hits. Ganz vorn
die musikalischen Highlights, die Gewinner in den Charts, die Ohrwürmer für
jedermann.
    Flauch schlenderte an den
Regalen entlang.
    Scheinbar interessiert, sah er
sich diese und jene CD an.
    Dort! Aha!
    Der Stapel mit den grellbunten Party-Power
mit Poppy Pink- CDs.
    Er blieb davor stehen. Ein
Blick rechts, ein Blick links. Kids stöberten in den Hits. In der Ecke für
Klassische Musik prüften ältere Leute den Vorrat an Konzert- und Opern-Musik.
Ein dicker Mann im Lodenmantel und jagdverdächtigen Hut wählte Volksmusik aus.
    Flauch sah: Der
Poppy-Pink-Stapel war eigentlich kein Stapel mehr, sondern nur noch eine
Anhäufung von fünf CDs. Egal!
    Er griff in die Tasche. Und
legte, gekonnt und unauffällig, die explosive Bomben-CD oben drauf. Grellbunt
lag sie dort, behaftet mit Szdobas Höllentinktur.

    Ohne verdächtige Hast verließ
Flauch die Audio/Video-Abteilung.

4. Laura und
der Plattfuß
     
    TKKG setzten ihren Weg fort.
Vera ging heim. Die 3000 DM würde sie morgen bei Zinkdübel abliefern — so war
es vereinbart. Oskar schnüffelte wieder in Richtung der Fressalien-Buden und
Gaby fand nun Gelegenheit, die Jungs mit Infos zu versorgen über Veras Mutter,
die den schönen Namen Lerche von Kieselbach-Hellenfeld trug.
    „Ich hörte das zufällig“,
erklärte Gaby, „als sich Mami mit ihrer Freundin Annegret Butzenröder
unterhielt. Die ist Psychologin und hat sich spezialisiert auf seelische
Süchte. Annegret leitet eine offene Gruppe, die so ähnlich funktioniert wie die
Anonymen Alkoholiker. Allerdings handelt es sich bei Annegrets Gruppe um
Kaufkranke.“
    „Kaufkranke?“, fragte Klößchen.
„Wie ist denn das zu verstehen?“
    „Kaufkrank ist jemand, wenn
Einkaufen — wenn Shopping zur Droge wird. Kaufsüchtige sind nur glücklich,
während sie einkaufen. Am liebsten rund um die Uhr. Ja, Kaufkranke steigern
ihre Dosis so wie andere Süchtige ihre Drogenmenge.“
    „Wer hat soviel Geld“, lachte
Karl.
    „Kaufsüchtige machen Schulden —
das ist ja das Elend. Außerdem sind sie wahre Meister im Umtauschen. Denn nicht
das Besitzen der Ware ist ihre Droge, sondern ausschließlich das Einkaufen
selbst. Viele bringen deshalb die Sachen zurück, tauschen um und beginnen von
vorn mit dem Kaufrausch.“
    „Ziemlich irre!“, meinte Tim.
„Aber so ist ja jedes Suchtverhalten. Was sind denn die seelischen Gründe für
Kaufsucht?“
    „Ich glaube, das ist noch nicht
ganz geklärt. Annegret meint, es träfe meist Personen mit schwachem
Selbstwertgefühl. Wahrscheinlich fühlen sie sich beim Kaufrausch deshalb so
toll, weil bei uns Konsum gleichgesetzt wird mit ,erfolgreich-sein’. Wer
erfolgreich ist, kann sich was leisten. Also kauft er und kauft und kauft. So
jedenfalls denkt und empfindet diese Art von Suchtkranken. 19 haben sich in
Annegrets Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen. Und Veras Mutter gehört dazu.
Sie ist besonders schwer betroffen.“
    „Da hat der LG-Direktor aber
wirklich private Sorgen genug“, meinte Karl. „Wenn Vera auch noch als
Ladendiebin das Familienbild abrundet, kann er vorzeitigen Ruhestand
beantragen. Für einen Beamten ist das immerhin ein gangbarer Weg. Aber keine
Eitelfreude für den Steuerzahler,
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