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Im Kaufhaus ist der Teufel los

Im Kaufhaus ist der Teufel los

Titel: Im Kaufhaus ist der Teufel los
Autoren: Stefan Wolf
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die
Antwort. „Ich habe Parfüm mitgenommen — fünf Schachteln, Kosmetik, zwei
Haarreifen und eine gemusterte Strumpfhose.“
    Gaby schloss langsam den Mund,
blinkerte mehrmals mit den langen dunklen Wimpern und hatte dann ihr Entsetzen
im Griff.
    Hört sich geradezu
professionell an, dachte Tim. Kaum zu glauben, wieviel Kleptomanie (Trieb
zum Stehlen ) in diesem Persönchen steckt.
    „Machst du das oft?“, fragte
er.
    „Nein. Nie. War zum ersten Mal.
Und eigentlich nur, weil... Nein! Ich will die Schuld auf niemanden schieben.
Das wäre lächerlich. Ich bin allein verantwortlich für meine Tat. Ich trage die
ganze Schuld. Und ich muss es wieder gutmachen.“
    „Trotzdem würde uns
interessieren, was du sagen wolltest mit: eigentlich nur, weil...“ Tim lächelte
gewinnend wie ein Bewährungshelfer — jedenfalls so, wie er sich dessen
Freundlichkeit vorstellt.
    Vera zögerte. Dann: „Ach, das
ist die Laura. Die macht das auch. Kriegt dadurch die tollsten Sachen umsonst.
Und hat mich... na ja, hat gesagt, ich soll’s doch auch mal probieren. Wäre
ganz leicht. Ist es aber nicht. Der Hausdetektiv hat mich gleich beim ersten
Mal erwischt.“
    „Ob leicht oder schwer“, sagte
Tim. „Diebstahl darf niemals unsere Methode zur Bereicherung sein. Wenn die
Kohle nicht reicht, muss man eben verzichten. So ist das Leben. Früher wär’s in
der DDR so — und die haben auch überlebt. Unsere Werbung und Wirtschaft heizt
immer nur den Konsum an. Verbrauchen, verbrauchen, verbrauchen! Kaufen, kaufen,
kaufen! Ungezählte Sachen — wozu eigentlich? Aber uns wird eingetrichtert, dass
man sie haben muss. Sonst wäre man out, ein Versager, nicht zugehörig. Wer
Selbstbewusstsein hat, fällt nicht darauf rein. Aber das sind nur dreieinhalb
Prozent. Die anderen Menschen steigern ihre Wünsche ins Maßlose. Machen
Schulden, nur um kaufen zu können. Und wenn alle Stricke reißen, dann wird eben
geklaut. Man sollte die Werbefritzen bestrafen — nicht die Diebe. Für uns,
Vera, bist du mehr Opfer als Täterin. Aber erzähl bitte weiter! Weshalb das
Pfandhaus?“
    „Weil ich aufgeflogen bin, hat mir
Laura den Tipp gegeben.“
    „Von welcher Laura“, fragte
Gaby, „sprichst du eigentlich?“
    „Laura Lockstett.“
    „Die kenne ich vom Sehen.“
    „Aber wir kennen sie nicht,
Vera“, sagte Tim. „Was ist mit ihr?“
    „Sie ist schon 16. War auch bei
uns auf der Schule. Musste aber abgehen, weil... Sie hat einen ganz schlechten
Ruf. Ich weiß es. Warum habe ich mich anstiften lassen?! Es ist schrecklich.
Ich bin zu... zu... Mich kann jeder beeinflussen. Laura — arbeitet jetzt in den
Markthallen an einem Gemüsestand. Aber nur an drei Tagen. Jede Nacht ist sie in
den Diskos unterwegs. Besonders im M2, im Woopie, im Flyer und in der Ansage.“
    „Die sind alle verrufen“, sagte
Gaby. „Weil dort gedealt wird. Flöchstens in Tims Begleitung ginge ich dort
hin. Aber nicht mal das. Denn — was sollen wir dort?“
    „Dort ist überall klasse
Musik“, meinte Vera kläglich. „Die haben sogar schon die neue Party-Power-CD
von Poppy Pink.“

    „Kein Grund für uns“, sagte
Gaby erhaben. „Aber erzähl weiter!“
    Vera schnüffelte und Tim gab
ihr ein zweites Papiertaschentuch. Sein vorletztes. Wenn das nicht reicht,
dachte er, muss sie den Ärmel nehmen. Wer wissentlich Mist baut und dann
seelisch am Boden liegt, sollte wenigstens ein Taschentuch haben.
    „Der Hausdetektiv“, Vera hatte
nun endlich ihre Handschuhe angezogen, „zeigt eigentlich jeden Dieb an — hat er
gesagt. Man kriegt Hausverbot. Und bei Jugendlichen werden auch die Eltern
verständigt. Angefleht habe ich ihn — angefleht, das nicht zu tun. Mein Vater ist
ja so furchtbar streng. Er hat schon mit Mutti seine Sorgen, weil... Und das in
seiner Position! Da muss die Familie untadelig sein. Sonst fällt es doch auf
ihn zurück. Sonst heißt es, der Herr Landgerichtsdirektor hätte eine... eine
Verrückte als Frau. Und eine Diebin als Tochter. Deshalb...“, Vera schluckte,
als säße ihr ein Knödel Kummer im Hals, „hätte... hätte... Ich glaube, mein
Vater hätte mich halbtot geschlagen.“
    „Bestimmt nicht“, sagte Gaby.
Aber das klang so lahm, als glaube sie es selbst nicht. „Er ist nur... na ja.
Aber mal weiter, Vera! „
    Mit der Mutter scheint auch was
nicht zu stimmen, dachte Tim.
    „Zinkdübel hat sich erweichen
lassen“, sagte Vera.
    „Zinkdübel?“ Tim hob die
Brauen, obwohl er ahnte, wer gemeint war.
    „Lothar Zinkdübel,
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