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Im Kaufhaus ist der Teufel los

Im Kaufhaus ist der Teufel los

Titel: Im Kaufhaus ist der Teufel los
Autoren: Stefan Wolf
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der Hausdetektiv.
Ich könnte, hat er gesagt, den Schaden auch auf andere Weise beheben. Aber das
wäre ein einmaliges Entgegenkommen. Ich müsste 3000 Mark spenden. Für die
Witwen- und Waisenkasse lebenslänglicher Straftäter. Diesen Witwen und Waisen,
den Leidtragenden also, stünde er besonders nahe. Und er würde mein Geld für
die verwenden.“
    „Du sollst die 3000 also ihm
geben?“, fragte Tim.
    „Ja.“
    Tim stimmte ein eisiges Lachen
an. „Merkst du nicht, dass dich dieser Warenhaus-Plattfuß erpresst? Diese
Institution gibt’s gar nicht. Er steckt die 3000 in die eigene Tasche. Und
wahrscheinlich bist du nicht der/die Einzige, bei dem/der er das macht. Von
solchen Gelichtertypen hört man doch ständig. Die sitzen nicht nur in den
Chefetagen der Großindustrie oder im Europaparlament, der verbeamteten
Korruptionszentrale unseres Erdteils — nein, diese Schweinebacken und
Musterbeispiele für skrupellose Selbstbereicherung findest du auch im mittleren
Management und in der untersten Abteilung. Die Witwen- und Waisenkasse, Vera, ist
Zinkdübels eleganter Dreh für schlichte Erpressung.“
    „Ich glaube, Tim hat Recht.“
Gaby nickte.
    „Aber das ändert nichts an...
an meiner Situation“, heulte Vera.
    Das zweite Papiertaschentuch
war schon arg durchweicht und Tim befürchtete das Schlimmste.
    „Mein Vater darf nichts
erfahren“, schluchzte Vera, „er darf, darf und darf nichts erfahren. Ich weiß,
ich hätte mir das vorher überlegen sollen. Aber ich dachte doch, ich werde
nicht erwischt, und hätte ‘s auch nur einmal gemacht — wahrscheinlich.“
    Eine Zwickmühle!, dachte Tim.
Nehmen wir uns Zinkdübel zur Brust, wird Veras Verfehlung ruchbar und die Info
dringt zum LG-Direktor, der dann ausrastet. Weil er ja schon mit der Gattin
Sorgen hat — was das auch sein mag.
    „Und jetzt eben hast du dir die
3000 beschafft?“, fragte Gaby.
    Vera nickte und wieder schossen
ihr Tränen in die Augen.
    „Hast etwas Bestimmtes
versetzt, beliehen?“
    „Den... den Ring, den mir meine
Oma geschenkt hat. Er ist von ihrer Großmutter, also von meiner Ururgroßmutter.
Ich weiß nicht mal, wie sie hieß. Aber der Ring ist wertvoll. Ein kleiner
Diamant mit einem kleinen Saphir. Der Mann im Pfandhaus sagt, den Ring hätte so
um 1880 ein Goldschmied gemacht. Vor allem deshalb ist er wertvoll — weniger
wegen der Edelsteine. Wenn meine Eltern merken, dass er weg ist, muss ich
sagen, ich hätte ihn verloren — obwohl ich ihn eigentlich nur an Festtagen
tragen darf.“
    Sie zog das Geld aus der
Tasche. „3800 Mark habe ich gekriegt. Ich weiß gar nicht, was ich mit den 800
machen soll.“ Klößchen öffnete den Mund, um einen Vorschlag zu unterbreiten —
der vermutlich auf eine Fressorgie hinauslief — , aber Gabys
Wehe-du-sagst-was-Blick ließ ihm die Worte in der Kehle ersterben.
    „Diese Laura Lockstett“, sagte
Tim, „hat dir den Tipp mit dem Pfandhaus gegeben?“
    „Dafür bin ich ihr richtig
dankbar“, nickte Vera. „Was hätte ich sonst machen sollen.“
    „Wir wollen gerade ins NJ“,
sagte Karl. „Vielleicht läuft uns Zinkdübel über den Weg. Wie sieht der denn
aus?“
    „Bitte! Ich bitte euch!“ Veras
Augen wurden doppelt so groß vor Entsetzen. „Macht nichts. Sagt ihm nichts. Es
wäre meine Katastrophe. Ich will nur, dass mein Vater nichts erfährt. Das wäre
das Schrecklichste. Lieber verliere ich den Ring. Bitte, versprecht mir, dass
ihr nichts unternehmt!“ TKKG versprachen es.
    Aber Tim verspürte Sodbrennen
in der Seele und das Versprechen erschien ihm wie eine Hand- und Fußfessel aus
Stahl.

3.
Bombenleger
     
    Anfang Dezember steckte
frisches Gehalt in den meisten Brieftaschen und Portmonees. Manchmal auch schon
das 13. Jahresgehalt oder die Weihnachtsgratifikation (Zuwendung). Das
merkte man in den Geschäften und Warenhäusern — besonders in der Innenstadt, wo
sich eine Fußgängerzone an die andere reiht. Der Konsumrausch hatte begonnen,
die Droge ,Einkaufen’ hatte fast jeden im Clinch: eine Millionenstadt voller
Abhängiger.
    Flauch, der Erpresser, fluchte
innerlich, als er sich im Kaufhaus ,Neues Jahrtausend’ durch die Menge schob.
Dieses Gedränge! Andererseits war es für ihn auch von Vorteil.

    Überall: gucken, auswählen,
suchen, grapschen, zahlen in bar oder mit Scheckkarte, derweil die Ware
verpackt wurde. Keine Zeit für ein mündliches ,Dankeschön!’ Das stand auf dem
Kassenbon.
    Zigmal war er schon hier
gewesen. Er kannte sich aus. Er hatte jede
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