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Im Irrgarten der Intelligenz: Ein Idiotenführer (edition suhrkamp) (German Edition)

Im Irrgarten der Intelligenz: Ein Idiotenführer (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Im Irrgarten der Intelligenz: Ein Idiotenführer (edition suhrkamp) (German Edition)
Autoren: Hans Magnus Enzensberger
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von Titeln umfassen.

VI.
Ad usum Delphini
    Wir werden uns hüten, in diese höheren Sphären der Methodenforschung vorzudringen. Statt dessen wenden wir uns lieber einer schlichten Handreichung zu, die uns vielleicht mit der Praxis der Intelligenzmessung vertraut machen kann. Es handelt sich um ein Werk eines Fachmanns, der sich nicht nur als Hardliner hervorgetan hat, sondern auch als Bestseller-Autor. Er heißt Hans Jürgen Eysenck, lehrte an der Universität London und gilt als einer der maßgeblichen Repräsentanten der naturwissenschaftlich-experimentell orientierten Psychologie. Sein Intelligenztest stammt zwar aus dem Jahre 1962, aber er wird heute noch in der ganzen Welt millionenfach gebraucht; seine Werke sind, obwohl der Autor 1997 verstorben ist, in jeder guten Buchhandlung zu haben und werden gerne konsultiert.
    Eines davon heißt Intelligence. A New Look ; 10 die deutsche Übersetzung trägt den albernen Titel Die IQ-Bibel . 11 Schlichter und eher für den Hausgebrauch geeignet ist ein Taschenbuch, das seit mehr als fünfzig Jahren zahllose Auflagen erlebt hat: Intelligenz-Test . 12 Es handelt sich um eine Gebrauchsanweisung, mit deren Hilfe der Leser feststellen kann, wie es nach Ansicht von Hans Jürgen Eysenck um seine Geistesgaben bestellt ist. (Diese Bezeichnung würde manchem Forscher vermutlich schon deshalb mißfallen, weil der Geist seit geraumer Zeit aus der Mode gekommen ist.) »Jeder der nachfolgenden Tests«, heißt es in der Einleitung, »besteht aus 40 Aufgaben. Sie haben genau eine halbe Stunde Zeit, um die Aufgaben zu bearbeiten, arbeiten Sie so schnell wie möglich. Es wird Ihnen nicht gelingen, alle 40 Aufgaben in der angegebenen Zeit zu lösen, lassen Sie sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen ... Vergessen Sie nicht, daß die Aufgaben im großen und ganzen gegen Ende des Tests immer schwieriger werden.«
    Bei einem ersten Blick auf die acht Tests fallen vor allem die Illustrationen ins Auge. Neben einer Menge von geometrischen Figuren, allerhand Kreisen, Pfeilen, Dreiund Vierecken, Sternchen und Spiralen, wimmelt das Buch von Strichmännchen aller Art. Menschen kommen, gleichgültig in welchem Zusammenhang, nur in dieser Form vor. Sie wirken so, als hätte eine Kindergärtnerin versucht, einen infantilen Fünfjährigen nachzuahmen – ein vergebliches Bemühen, da selbst ein behindertes Kind weit mehr Phantasie und Unterscheidungsvermögen aufbringt als der anonyme Graphiker, der sich dabei wohl an die Anweisungen des Autors halten mußte – falls es nicht der Professor selber war, der diese Bilder entworfen hat. Besonders dämlich fallen die Gesichter aus, die mit gezirkelter Akkuratesse dem Schema folgen: Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Angesicht. Gelegentlich tauchen auch andere Lebewesen auf wie Katzen oder Fische. Kein Kinderbuchillustrator würde es wagen, seinen Lesern solche Bilder zuzumuten.
    Unter den Gegenständen, mit denen die Testperson sich beschäftigen soll, überwiegen Raketen, Autos, Lokomotiven, Fabriken und Flugzeuge. Auch sie werden so dargestellt, wie sie ein hypothetischer Kretin zeichnen würde, d. h. auf eine Art und Weise, die jeder Schwachsinnige als läppisch zurückweisen würde. Sonderbar wirkt überdies der anachronistische Zug der Bildchen; sie zeigen nämlich Modelle, die nur noch in Museen anzutreffen sind – womöglich eine Reminiszenz an die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, als der junge Forscher noch mit seinem Blechauto spielte. Alltagsgegenstände wie Löffel, Schuhe oder Zahnbürsten fehlen völlig.
    Die Tests setzen ein gerüttelt Maß an typischen Schulkenntnissen voraus. Wer nicht weiß, was eine Primzahl ist, und wer ein Palimpsest nicht von einem Palindrom unterscheiden kann, hat keine Chance. Um nicht durchzufallen, sollte der Proband die Namen sämtlicher Planeten kennen und firm im Aufzählen von Hauptstädten sein. Auch Automarken gehören zum Minimum an Bildung, das zum Bestehen der Prüfung erforderlich ist, ebenso wie eine lange Liste von berühmten Dichtern, Komponisten, Malern, Filmstars und Generälen. Was das alles mit Intelligenz zu tun hat, gehört wohl zu jenen Geheimnissen des Verfassers, die sein Werk nicht preisgibt.
    Ansonsten werden durchgehend Leistungen abgefragt, wie sie in den Rätselecken vieler Wochenzeitungen trainiert werden. In diesen beliebten Rubriken geht es allerdings nicht um den IQ, sondern um ein harmloses Vergnügen, das als Denksport oder Knobelei firmiert.
    Gemeinsam ist allen
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