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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los
Autoren: Tom Holt
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Wetter hätte eine Inspektion gebrauchen können.
    Wir Briten haben schon ein einzigartiges Verhältnis zum Wasser, dachte sie, entweder fahren wir darüber, oder wir stehen darunter. Trotzdem mußten erst die Chinesen daherkommen, um den Regenschirm zu erfinden.
    Da die Linie 42A offenkundig von ortsansässigen Wegelagerern aus dem Hinterhalt überfallen, in Brand gesteckt und irgendwo auf der weiteren Strecke stehengelassen worden war, entschloß sich Jane, die anderthalb Kilometer vom Büro bis zum Bahnhof zu Fuß zu gehen. Beherzt stapfte sie platschend die Straße entlang, versuchte, den größeren Pfützen auszuweichen, und stellte Vermutungen darüber an, ob die Rückbildung von Flossen und das Entwickeln von Beinen tatsächlich den entscheidenden Durchbruch in der menschlichen Evolution darstellten, wie allgemein behauptet. Als sie gerade zu dem Schluß kam, daß sich eine wirklich intelligente Fortbewegungsart durch Flügel und Schwimmfüße wie bei Gänsen auszeichnet, prallte sie mit einem anderen Fußgänger zusammen und stieß ihn beinahe der Länge nach in eine Pfütze von der Größe des Bodensees.
    »Oje, entschuldigen Sie vielmals«, stammelte sie verlegen.
    Der Fremde, der so scharf angezogen war, daß man ihn für eine Operation am offenen Herzen hätte verwenden können, und trotz fehlenden Huts und Regenschirms knochentrocken war, lächelte sie an.
    »Keine Ursache«, erwiderte er. »Aber was die Flügel betrifft, irren Sie sich.«
    Jane klappte die Kinnlade wie ein Fahrwerk nach unten. »Wie bitte?« fragte sie.
    »Die Flügel«, antwortete der Fremde, der immer noch lächelte. »Hätten die Vorfahren des Menschen Flügel ausgebildet, hätten sie keine Fingerfertigkeit entwickeln und nicht den Gebrauch von Werkzeugen erlernen müssen. Dann hätte sich ihr Gehirn nicht angepaßt und wäre nicht zu dem geworden, was es heute ist. Als Folge davon wären Sie jetzt kein Mensch, sondern bloß ein großer rosaroter Vogel und würden womöglich von Schimpansen am Trafalgar Square mit Brotkrumen gefüttert werden. Denken Sie mal darüber nach.«
    Er nickte weise, trat zur Seite in die Pfütze (die sich zu beiden Seiten seines Fußes teilte) und ging weiter. Jane stand nun an genau der richtigen Stelle, um die volle Wucht des Spritzwassers abzubekommen, als ein paar Augenblicke später der Bus der Linie 42A mitten durch die Pfütze rauschte.
     
    Der Personalchef las gerade einen Brief.
    Da die Schrift – und sogar die Sprache –, in der er geschrieben war, schon seit Jahrhunderten nicht mehr angewandt wurde, war das keine leichte Angelegenheit; dennoch hatte der Personalchef Verständnis dafür, denn wahrscheinlich hatte der Verfasser des Briefs sehr lange Zeit nicht die Notwendigkeit verspürt, ein Wort zu Papier zu bringen.
     
    Übersetzt lautete der Brief:
    Sehr geehrter Herr,
    ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich mein Amt niederlege. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht mehr an mich, obwohl ich Sie einmal über den Kopf von jemandem hinweg auf einem dieser Empfänge gesehen habe, wo Sie viele Hände geschüttelt haben und zu dessen Anlaß irgend etwas eröffnet worden ist. Am Donnerstag habe ich die Sonne 777 Jahre, sieben Monate und eine Woche lang aufgehen lassen, aber was sich hier mittlerweile abspielt, ist zuviel, und mir reicht’s. Es ist ein Skandal, jawohl, es gibt keinen anderen Ausdruck dafür, und es sollte dringend etwas dagegen unternommen werden.
    Hochachtungsvoll verbleibe ich und so weiter
     
    Der Personalchef seufzte und legte den Brief mit der beschriebenen Seite auf den Schreibtisch.
    Allerdings sollte etwas dagegen unternommen werden.
    Der Mann hat völlig recht, sagte er sich, und ich werde auch etwas unternehmen, sobald den anderen klar wird, wer sie eigentlich sind. Und der normale Betrieb wird so bald wie möglich wiederaufgenommen werden. Und natürlich möchten wir uns für alle in der Zwischenzeit auftretenden Unannehmlichkeiten entschuldigen.
    »Ach, zur Hölle!« fluchte er laut.
    »Tut mir leid, aber da sind Sie im falschen Stockwerk«, widersprach eine Stimme von der anderen Seite des Tisches. Der Personalchef sah auf und erblickte Gänger, Advocatus Diaboli, der auf dem Besucherstuhl saß, lächelte und sich behaglicher zu fühlen schien, als es der Personalchef für möglich gehalten hätte.
    »Das ist ein Trick«, antwortete Gänger. »Man braucht nur so lange hin- und herzurutschen, bis man den Teil des Sitzes gefunden hat, der paßt.«
    Das ist es
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