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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los
Autoren: Tom Holt
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sich wie eine mittelalterliche Nomadenhorde über ihr ganzes Gesicht ausgebreitet hatte. Der zweite schmeckte auch recht ordentlich, zumindest bis zur Hälfte; und da sie einen Abscheu davor hatte, etwas wegzuwerfen, und man dermaßen bescheuert aussieht, wenn man mit anderthalb Sahne-Doughnuts in einer Papiertüte herumläuft, aß sie ihn ganz auf, ließ die Zunge wie einen Schneepflug durch den süßen Schneematsch auf der Oberlippe fahren und faltete entschlossen die Tüte zusammen. Ihr war ein bißchen schlecht.
    »Wissen Sie, das ist nur ein Symptom«, stellte eine Stimme neben ihr fest.
    Jane sprang erschrocken auf. Von einem seltsamen Mann im Park angesprochen zu werden, war schon schlimm genug, doch durch den Umstand, daß es sich um denselben seltsamen Mann handelte, der schon am vorangegangenen Tag ihre Gedanken gelesen, sie damit halb zu Tode erschreckt und sich dann trockenen Fußes durch eine riesige Pfütze entfernt hatte, fiel ihr Luftsprung noch um einige Zentimeter höher aus.
    »Ich meine das Essen«, fuhr der Fremde lächelnd fort. »Das ist schlicht und ergreifend nichts anderes als Atavismus. Der Jäger und Sammler in uns allen glaubt, daß alles andere egal ist, wenn er nur etwas zu essen hat, und deshalb greifen wir beim ersten Anzeichen von Ärger nach etwas Eßbarem. Das ist natürlich alles streßbedingt; und die Sachen, die wir zu uns nehmen, machen den Streß nur noch schlimmer. Für eine rein instinktive Reaktion ist das ganz schön widersinnig, finden Sie nicht?«
    »Verschwinden Sie!« fauchte Jane den Mann an.
    »Sie haben Sahne an der Nase.«
    »Ich rufe einen Polizisten.«
    Der Fremde lächelte. »Sie werden’s nicht für möglich halten, aber ich bin Polizist«, reagierte er gelassen.
    »Dann rufe ich eben einen anderen Polizisten. Na los, verziehen Sie sich endlich!«
    Der Fremde schlug die Beine übereinander und legte die gefalteten Hände ums Kniegelenk. »Ein weiteres Stück Atavismus«, sagte er, »doch diesmal um eine Spur vernünftiger. Was ist das menschliche Dasein doch für ein Elend.«
    Er verschwand.
    In der sich daraus ergebenden Wolke aus geistig-statischer Aufladung stellte Jane fest, daß sie es irgendwie geschafft hatte, sich auf die Tüte mit dem dritten Doughnut zu setzen. Es ist schon eigenartig, wie man solche Dinge wahrnimmt.
    »Wo sind Sie hingegangen?« erkundigte sie sich erstaunt.
    »Ich bin nirgendwo hingegangen«, antwortete die Stimme. »Haben Sie’s schon gemerkt? Sie sitzen auf …«
    »Ja.«
    »Also haben Sie auch telepathische Fähigkeiten? Prima, dann sparen wir ja eine Menge Zeit«, freute sich die Stimme.
    Jane stand auf, um weiterzugehen, drehte sich um und wischte erfolglos an dem Doughnut herum, der ihr am Rock klebte. »Wagen Sie das ja nicht«, drohte sie.
    »Das hatte ich auch gar nicht vor«, erwiderte die Stimme. »Als Geist bin ich für menschliche Gelüste nicht empfänglich; und selbst wenn ich es wäre, fände ich vermutlich keinen Spaß daran, plattgedrückte Sahnestücke vom Hinterteil anderer Leute zu entfernen. Wenn Sie sich wieder hinsetzen, kann übrigens niemand sehen, daß Ihnen ein Doughnut am …«
    Jane setzte sich. Ihr gefiel das zwar alles überhaupt nicht, doch wenn sie eins nicht kannte, dann war es Angst.
    »Und nun?« fragte sie.
    Rings um sie stand die Luft wie ausgestorben und ganz offenkundig glasklar. Allmählich fragte sie sich, ob …
    »Entschuldigung, ich hatte schon ganz vergessen, daß ich immer noch da bin«, antwortete die Stimme.
    Jane starrte direkt in die Luft vor sich. »Sind Sie ein Gespenst?«
    »Nein«, erwiderte die Luft. »Der Begriff ›Gespenst‹ bedeutet, daß es sich um einen Toten handelt. Da ich jedoch nie lebendig gewesen bin, kann ich auch nicht tot sein. Nächste Frage.«
    Jane blickte sich vorsichtig nach allen Seiten um. In einem Umkreis von zehn Metern befand sich weder ein Baum noch ein Strauch, folglich handelte es sich nicht um irgendeinen albernen Blödmann, der bauchredete. Die Stimme klang ziemlich gedämpft. Zwar wußte Jane nicht, wie Stimmen klingen, die man im eigenen Kopf hört, doch diese hier nahm sie eindeutig von außen durch die Ohren wahr. Sie blickte wieder nach vorn.
    »Und nun?« wiederholte sie ihre erste Frage.
    »Wenn Sie noch länger auf dem Doughnut sitzen, ruinieren Sie sich Ihren Rock«, entgegnete die Stimme. »Zusammengedrückte Schlagsahne und Baumwolle vertragen sich nicht; jedenfalls hat man mir das erzählt.«
    »Wenn Sie verschwinden, mache ich mir
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