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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
Autoren: Jim al-Khalili
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Einwohner. [4] Was die Fläche anging, war sie sicher größer als Rom, Athen oder Alexandria in ihren besten Zeiten; Bagdad hatte Dutzende von üppigen Palästen vorzuweisen, in denen die Familienangehörigen des Kalifen sowie seine Generäle und Wesire wohnten.
    Wegen der turbulenten späteren Stadtgeschichte ist vom Bagdad der Abassiden heute praktisch nichts mehr erhalten. Man sollte daran denken, dass es im Gegensatz zu den Regionen anderer, weit älterer Städte wie Rom und Athen im Irak keine Steinbrüche gab (im Norden und Westen des Landes fanden sich allerdings früher beträchtliche Kalkstein- und Marmorvorkommen). Sämtliche Gebäude Bagdads, auch die Paläste, wurden vorwiegend aus sonnengetrockneten Lehmziegeln erbaut und waren deshalb gegenüber den regelmäßigen Angriffen von Invasionsarmeen, Feuer und Überschwemmung wesentlich empfindlicher. Einen Eindruck vom Ausmaß der Paläste vermittelt uns allerdings eines der wenigen noch erhaltenen Bauwerke aus der frühen Abassidenzeit. [5] Es wird Palast von Ukhaidhir genannt, und seine Ruinen stehen knapp 200 Kilometer südlich von Bagdad (siehe Farbtafel 11). Ich erinnere mich noch lebhaft an die Schulausflüge dorthin, auf denen meine Freunde und ich völlig unbeaufsichtigt auf den schmalen, mehr als 20 Meter hohen Umfassungsmauern um die Wette liefen. Der Palast war ursprünglich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts als Ruhesitz für ein reiches Mitglied der Kalifenfamilie erbaut worden.

11.
Der im 8. Jahrhundert entstandene Abassidenpalast von Ukhaidir südlich von Bagdad.
    Die meisten Paläste von Bagdad standen an beiden Ufern des Tigris, aber nicht alle dienten Wohnzwecken. Der Großwesir (von dem arabischen Wort wazir = Minister) Ja’far al-Barmaki, auch er eine vertraute Gestalt aus 1001 Nacht , errichtete in einem unbebauten, abgelegenen Teil im Osten Bagdads den Vergnügungspalast al-Ja’fariyya (»Palast des Ja’far«). Dieser wurde später zu al-Ma’muns Residenz und zum Mittelpunkt des Stadtviertels Dar al-Khilafa (»Heim der Monarchie«), das einen ganzen Komplex aus Palästen und luxuriösen Wohnhäusern umfasste. Ja’far war zum Privatlehrer des jungen al-Ma’mun berufen worden, und ihm schreibt man das Verdienst zu, in dem zukünftigen Kalifen die Liebe zum Lernen und zur Gelehrsamkeit geweckt zu haben.

1.
Der Abassidenkalif Harun al-Rashid und Karl der Große; Ölgemälde von Julius Köckert (1827–1918).
    Die Paläste und auch viele andere wichtige Verwaltungsgebäude waren hohe, vielgeschossige Bauwerke. Oftmals waren sie von reichverzierten Wetterfahnen gekrönt, auf denen berittene Krieger als Symbol für die Macht des Kalifen dargestellt waren. Ein Bericht erzählt beispielsweise davon, wie Angehörige einer festgenommenen Rebellengruppe versuchten, aus dem Thronsaal des Kalifen zu entkommen: Nachdem ihnen klargeworden war, dass sie die Leibwächter nicht besiegen konnten, sprangen sie aus einem Fenster und stürzten neun Stockwerke tief auf dem Hof in den Tod.
    In den Häusern der Reichen diente Marmor allgemein als Material für Säulen, Steinfußböden und Treppenhäuser, die hinunter in den Garten oder zu den Flussufern führten. Die verputzten Wände der Häuser waren mit reichverzierten Wandteppichen verkleidet, die Fußböden zierten Keramik- oder Marmorfliesen, und in den Wintermonaten wurden hübsche Teppiche ausgelegt, die man während der sommerlichen Hitze wieder entfernte. Die Familie saß auf bestickten Kissen, die man auf den Fußboden legte. Die Zimmer im Erdgeschoss öffneten sich häufig auf einer Seite zu einem zentralen Innenhof, in dem manchmal ein kleiner Springbrunnen stand. Die Küche lag häufig im Keller, wurde aber durch ein Metallgitter, das im Boden des Innenhofs eingelassen war, belüftet. In der sommerlichen Hitze schliefen die Familien nachts auf dem Flachdach, und die nachmittägliche Siesta verbrachte man in den kühlen Kellerräumen ( sirdab ).
    Die ärmeren Einwohner Bagdads dagegen wohnten in überfüllten, mehrstöckigen Gebäuden, deren Etagen durch Balken aus Palmenstämmen getrennt waren; diese waren viel haltbarer als der Lehm und die sonnengetrockneten Ziegelsteine, welche die Wände bildeten und die Gebäude zusammenhielten. In einem Bericht aus dem 9. Jahrhundert beklagt sich ein Vermieter aus Bagdad – wie alle Vermieter vor und nach ihm – über seine Mieter:
Sie laufen ständig Gefahr, das Haus abzubrennen, denn sie kochen auf dem Dach, mindern den Wert des Anwesens,
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