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Im Dutzend phantastischer

Im Dutzend phantastischer

Titel: Im Dutzend phantastischer
Autoren: Nicole Rensmann
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erfahren?« Ihre Hände waren rot und zerkratzt. Sie hatte versucht, das Gefühl von Dreck und Feuer mit heißem Wasser und der harten Seite einer Nagelbürste zu entfernen. Es war ihr gelungen.
    »Es ist an der Zeit, ich muss es dir sagen!«
    Tränen schossen Tanja in die Augen, ein dicker Kloß setzte sich in ihrem Hals fest, ihre Atmung schmerzte. Jetzt ging es zu Ende. Sie wusste, dass ihre Mutter ihr noch etwas über ihren Vater verraten wollte.
    Schwerfällig kniete sie vor dem Bett ihrer Mutter nieder, nahm deren Hand und wartete. Trauer umspülte ihre Gedanken, vermischt mit einer großen Portion Furcht. Sandra saß dicht bei ihr und berührte ihre Schulter.
    »Liebes. Wie war es auf dem Friedhof?«
    »Alles okay!«
    Sandra stieß sie von hinten an. »Sag es ihr schon!«
    »Hör auf!«
    Sandra wich ein Stück von Tanja zurück, denn ihre Augen funkelten böse.
    » Ihr dürft euch nicht streiten! Bitte! Erzähl mir, was auf dem Friedhof war!«
    Zögernd berichtete Tanja von ihrem Ekel gegen Friedhofserde, gegen den Ort an sich. Deutete auf ihre Hände und erzählte von den eingebildeten Schmerzen und den roten Flecken.
    »Das war keine Einbildung ! Glaubst du an Gott? «
    » Warum fragst du mich das? «
    » Gib mir eine Antwort!« Diese Bestimmtheit in der Stimme ihrer Mutter hatte Tanja seit Monaten nicht mehr gehört.
    » Ja, ich glaube an Gott ... und an den Teufel. Das weißt du doch, wir haben viele Male darüber geredet! «
    » Glaube an Gott. Der Teufel darf keine Macht über dich bekommen! «
    » Oh, Mutti! « Tanja konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ihre Mutter redete wirres Zeug.
    » Ich bin nicht verrückt und bei klarem Verstand. Bitte hör mir zu. Und unterbrich mich nicht! Du hast keinen Vater gehabt. Keinen menschlichen Vater. Du hast einen Vater, der – «
    Sie stockte, bat um einen Schluck Wasser, indem sie schwach auf das Glas zeigte, das auf der Kommode stand. Sie vermied jeden Blickkontakt.
    Als sie weiter sprach, war ihre Stimme heiserer als zuvor. Das Wasser hatte keine Wirkung gezeigt. Tanja verspürte eine schreckliche Angst.
    » Alle 666 Jahre kommt er, sucht sich eine menschliche Frau und zeugt mit ihr einen Nachkommen. «
    » Wer ist er ? «
    » ...und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. «
    Da unterbrach Tanja ihre Mutter doch: » Ich versteh dich nicht. Was meinst du denn? «
    » Dein Vater, mein Kind, ist der Teufel! «
    Tanja dachte, ihre Mutter sei verrückt geworden oder sprach kurz vor ihrem Tod im Wahn.
    » Am Anfang habe ich mich gewehrt, aber diese Augen, diese Männlichkeit, dann habe ich mich ihm doch hingegeben. Nur weil ich mich ihm freiwillig gab, nicht mehr kämpfte, sondern ihn liebte, für diesen Moment, konntest du, seine Tochter, geboren werden. «
    Scham überdeckte das Entsetzen in ihrem Gesicht.
    » Wenn ich jetzt sterbe, wird er versuchen, Macht über dich zu bekommen und dich zu benutzen. Das darfst du nicht zulassen, Tanja! «
    » Oh, Mama, hör auf damit! Bitte! H ör auf!«
    » Ich weiß, es ist nicht zu verstehen. Aber es ist die Wahrheit. Er gab dir nicht den Namen Tanja, für ihn bist du – «
    Mit letzter Kraft stützte sie sich auf und flüsterte: » Diavola. «
    Dann sank sie matt in das Kissen. » Sei stark, für dich. Bitte! Ich liebe dich, denke immer daran! «
    Tanjas Mutter schloss die Augen. Ihr Körper erschlaffte. Ihr Atem flachte langsam ab, bis er aussetzte.
    Tanja weinte, hielt die Hand ihrer Mutter und verschwendete keinen Gedanken an das eben Gehörte. Auch Sandra weinte, umarmte ihre Freundin und spendete ihr Trost.
     
    Erst nach der Beerdigung wurde Tanja daran erinnert, was ihre Mutter zu ihr gesagt hatte, denn jemand sprach diesen ihr fremden Namen aus.
    » Diavola! «
    Sie war auf dem Weg zum Supermarkt, als jemand hinter ihr diesen Namen erneut rief: » Diavola! «
    Abrupt blieb sie stehen, doch um sich umzudrehen, fehlte ihr jede Kraft. Es war auch nicht nötig. Der Mann, der diesen Namen gerufen hatte, war bereits bei ihr und drehte sie, indem er sie an der Schulter fasste, zu sich. Dann sagte er noch einmal: » Diavola! «, und umarmte sie herzlich.
    » Sie verwechseln mich mit Jemandem. «
    Tanja befreite sich aus der Umklammerung und funkelte den Mann böse an. Es war dasselbe Funkeln, das Sandra Angst eingejagt hatte. Doch dieser Mann war begeistert,
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