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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder
Autoren: Brigitte Aubert
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ermordet! Alle in einem Umkreis von fünfzig Kilometern. Wenn ich daran denke, daß der Kerl frei rumläuft!«
    »Und sie haben nichts gefunden? Keine Fußabdrücke, Reifenspuren, Stoffasern?« erkundigt sich Yvette, bereit, die Ermittlungen zu leiten.
    »Nichts! Nicht das geringste! Und all die armen Kinder sind erwürgt worden.«
    »Und, ähm, vergewaltigt worden?«
    »Nein, nicht mal. Sie sind einfach nur erdrosselt worden.«
    »Merkwürdig«, murmelt Yvette, die sich im Zimmer zu schaffen macht. (Vermutlich wischt sie Staub.) Im allgemeinen haben Morde an kleinen Kindern ein sexuelles Motiv.«
    »Ach ja? Nun, jedenfalls haben sie das im Fernsehen nicht erwähnt. Das schlimmste ist, daß ich wenigstens drei der Mütter kenne. Eine arbeitet in der Post in La Verrière. Der zweiten gehört der Tabakladen im Supermarkt. Und die dritte ist Madame Massenet, die, wie ich Ihnen schon erzählt habe, regelmäßig zu mir kommt.«
    »Und die vierte Familie?«
    »Die kenne ich nicht. Im Fernsehen sagten sie, daß der Vater in einer Bank arbeitet. Die Familie wollte nicht gefilmt werden.«
    Das sind sie, ich bin sicher, das sind sie! Wenn Catherine die Große sie doch nur kennen würde … Aber was würde das ändern? Sie wird nie kapieren, daß ich kein Mehlsack bin. Doch dazu müßte sie mich ansehen. Wenn ich mir vorstelle, ausgerechnet ihr eine derart komplizierte Botschaft übermitteln zu müssen …

    Doktor Raybaud ist gekommen. Verschiedene Untersuchungen, die länger als gewöhnlich dauern. Kein Wunder, es regnet, und er kann heute nicht auf dem See surfen. Er hat mich von Kopf bis Fuß abgetastet, und ich nutze die Gelegenheit, um mehrmals hintereinander den Zeigefinger zu heben. Er ruft Yvette und erkundigt sich bei ihr, ob ich das häufiger mache. Sie erwidert ihm, daß sie es nicht wisse. Er sagt ihr, daß sie in Zukunft darauf achten solle. Ich zwinkere mit den Augen und versuche, den Kopf zu drehen, aber das hat leider nicht den gewünschten Erfolg. Er hält es für einen Anfall, und sie halten mich fest, bis es mir wieder besser geht. Raybauds Schlußfolgerung: Es scheint, als hätte ich Bruchstücke meiner Motorik wiedererlangt. Er wird darüber mit Professor Combré sprechen. »Aber keine falschen Hoffnungen.« Vielleicht sind es nur reflexartige Bewegungen, unkontrollierte Zuckungen, »Kontraktionen«, wie man sagt.
    Es sind jetzt schon acht Monate, daß der Zug meines Lebens durch einen dunklen Tunnel fährt. Wenn nur … Nein, ich darf mich nicht der Hoffnung hingeben.
    »Mademoiselle Elise! Huhu! Ich bin’s!«
    Sei unbesorgt, Yvette, ich hab mich nicht davongemacht. Ich sitze noch immer hier in meinem Rollstuhl wie ein Paket, das darauf wartet, aufgemacht zu werden.
    »Sie werden nie erraten, wen ich getroffen habe! Genau vor der Post. Virginie und ihre Eltern! Wie schade, daß Sie nicht mehr das Kino haben, dann hätte man ihnen Freikarten schenken können. Diese Woche spielen sie Das Dschungelbuch. «
    Die Elefanten auf Patrouillengang ziehen durch mein Herz.
    »Da wir gerade in der Nähe waren, habe ich ihnen gezeigt, wo wir wohnen … Sie heißt Hélène. Eine sehr hübsche Frau, schlank, dunkles Haar, große blaue Augen. Und sehr helle Haut. Er heißt Paul. Paul und Hélène Fansten.
    Das sind sie! Virginie hat die Wahrheit gesagt: Ihr Bruder ist tatsächlich ermordet worden.
    »Er sieht sehr elegant aus, ein schönes Gesicht à la Paul Newman, wirklich sehr sympathisch«, fährt Yvette fort. »Sehr männlich. Ein Typ wie … nun … egal …«
    Ich weiß genau, was du wolltest sagen: Ein Typ wie Benoît. Ist das möglich? Benoît war einzigartig. Und im übrigen hatte er mehr Ähnlichkeit mit Robert Redford, also wirklich …
    »Wir haben uns ein wenig unterhalten, und dann habe ich ihnen vorgeschlagen, doch mal abends bei uns auf einen Aperitif vorbeizuschauen. Immerhin sind wir Nachbarn! Und wissen Sie was? Sie haben zugesagt! Sie kommen Mittwochabend mit der Kleinen.«
    Ein dreifaches Hipphipphurra auf Yvette! Sie muß bei den beiden ja ganz schön auf die Tränendrüse gedrückt haben, sonst hätte sie sie sicher nicht dazu bewegen können zu kommen!
    »Und was den Sohn betrifft, hatte ich recht.«
    Yvette senkt die Stimme, als wären wir in der Kirche:
    »Er ist vor zwei Jahren gestorben. Er ist einer von diesen armen Jungen, die erwürgt worden sind, stellen Sie sich das mal vor! Virginies Mutter hat mir gesagt, daß sie nicht gern darüber sprechen möchte, also habe ich nicht weiter
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