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Im Dreieck des Drachen

Im Dreieck des Drachen

Titel: Im Dreieck des Drachen
Autoren: James Rollins
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Die Sonnenfinsternis interessierte ihn nicht im Geringsten. Wenn die Beben schlimmer würden, könnte er stets wieder auftauchen. Aber während des langen Abstiegs waren die seltsamen seismischen Anzeigen abgeebbt. Charlies Stimme hatte schließlich ihren bemühten Unterton verloren.
    Er berührte sein Kehlkopfmikrofon. »Also habt ihr euch da oben Sorgen gemacht?«
    Nach einer Pause folgte ein widerstrebendes Ja.
    Jack stellte sich vor, wie die blonde Ärztin die Augen verdrehte. »Danke, Lisa. Ich schalte jetzt ab. Zeit für ein bisschen Privatsphäre.« Er riss den Bio-Sensor-Clip vom Ohrläppchen.
    Allerdings war es nur ein kleiner Sieg. Das übrige Bio-Sensor-System würde weiterhin Daten über den Zustand des Tauchboots senden, aber wenigstens nichts Persönliches. Das verschaffte ihm zumindest ein wenig Abgeschiedenheit von der Welt oben – und das war es, was Jack am meisten beim Tauchen zusagte. Die Isolation, der Frieden, die Ruhe. Hier zählte nur der Augenblick. So tief unten hatte seine Vergangenheit keine Macht über ihn.
    Aus dem Lautsprechersystem des Boots schallten die seltsamen Geräusche der unendlichen Tiefen durch den beengten Raum: ein Chor unheimlicher Pulsschläge, Zwitschern, hochfrequentes Kreischen. Es war, als würde er einen anderen Planeten belauschen.
    Ringsumher lag eine Welt, die für die Bewohner der Oberfläche tödlich war: endlose Dunkelheit, zermalmender Druck, giftiges Wasser. Aber das Leben hatte irgendwie einen Weg gefunden, hier zu gedeihen, genährt nicht vom Sonnenlicht, sondern von giftigen Wolken aus Schwefelwasserstoff, ausgestoßen von heißen Quellen, die »schwarze Raucher« genannt wurden.
    Jack glitt jetzt in die Nähe einer dieser Quellen, einen dreißig Meter hohen Vulkanschlot, aus dessen Öffnung dunkle Rauchschwaden aus mineralreichem kochendem Wasser quollen. Im Vorüberfahren störte sein Antrieb weiße Wolken aus Bakterien auf und erzeugte hinter ihm einen winzigen Blizzard. Diese Mikroorganismen waren die Grundlage für das Leben hier, mikroskopisch kleine Maschinen, die Schwefelwasserstoff in Energie umwandelten.
    Jack umrundete den Vulkanschlot in gebührendem Abstand. Dennoch stieg die Außentemperatur rasch an, als sein Tauchboot vorüberglitt. Die Schächte selbst konnten weit über dreihundertsiebzig Grad Celsius erreichen. Das war heiß genug, ihn in seinem kleinen Tauchboot zu kochen.
    »Jack?« Die besorgte Stimme der Teamärztin flüsterte ihm erneut ins Ohr. Ihr mussten die Temperaturänderungen aufgefallen sein.
    »Bloß ein Raucher. Deswegen muss man sich keine Sorgen machen«, gab er zur Antwort.
    Mithilfe der Fußpedale schob er das Minitauchboot an dem Vulkanschlot vorüber und setzte seine gemächliche Fahrt fort, wobei er sich dicht am Grund der tiefen Rinne hielt. Obgleich ihn das Leben hier unten faszinierte, hatte Jack etwas Wichtigeres vor, als lediglich die Aussicht zu bewundern.
    Während des vergangenen Jahres waren er und sein Team an Bord der Deep Fathom auf der Jagd nach dem Wrack der Kochi Maru gewesen, einem japanischen Frachter, der im Zweiten Weltkrieg verschollen war. Ihre Nachforschungen im Ladungsmanifest hatten ergeben, dass das Schiff eine große Menge an Goldbarren mit sich geführt hatte, Überreste des Kriegs. Nach gründlichem Studium von Navigations- und Wetterkarten hatte Jack die Suche auf zehn nautische Quadratmeilen im Meeresgebirge des zentralpazifischen Beckens eingegrenzt. Es war eine sehr vage Vermutung gewesen, ein Roulettspiel, das nach einem Jahr nicht den Eindruck erweckte, als hätte sich der Einsatz gelohnt – bis gestern. Da hatte ihr Sonar einen verdächtigen Schatten am Grund des Ozeans aufgefangen.
    Den verfolgte Jack jetzt gerade. Er warf einen Blick auf den Computer des Tauchboots, der ihm die Sonardaten von seinem Schiff weit oben anzeigte. Was diesen Schatten geworfen hatte, war etwa hundert Meter von seiner gegenwärtigen Position entfernt. Er schaltete sein eigenes Sonar ein, das die Gegend links und rechts abtastete, während er sich der Stelle näherte.
    Ein Gebirgsrücken tauchte in der Düsternis auf. Jack schwenkte in einem weiten Bogen um das Hindernis herum. Die Oase hinter ihm verschwand, ebenso die üppige Fauna und Flora. Der Meeresboden vor ihm zeigte nichts als leblosen Schlick. Im Vorüberfahren wirbelte der Antrieb des Tauchboots Schlammwolken auf. Als würde man eine staubige Landstraße hinabfahren.
    Jack umrundete den Felsausläufer. Vor ihm tauchte erneut eine Erhebung
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