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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse
Autoren: CLAIRE THORNTON
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Saint-André.
    „Ein ergrauter Mann mittleren Alters hat das Geld vom Konto abgehoben. Jean-Baptiste ist Mitte Zwanzig“, gab La Motte zu bedenken.
    „Aber er ist Friseur“, betonte sie. „Und ein sehr guter noch dazu.“
    „Im Gegensatz zu mir“, murmelte Pierce.
    „So schlecht warst du gar nicht“, beruhigte sie ihn. „Und du verursachtest mir keine Gänsehaut.“
    „Eine recht wichtige Voraussetzung für einen Friseur“, stellte Saint-André fest.
    „Allerdings, wenn man jeden Tag zwei Stunden so nah miteinander verbringen muss“, versicherte Mélusine mit Nachdruck. „So etwas lasse ich mir nie wieder gefallen.“
    „Das brauchst du auch nicht“, sagte Pierce. „Setz dich.“
    „Wie bitte?“ Sie machte ein verwirrtes Gesicht.
    „Damit wir uns auch setzen können.“
    „Ach, Verzeihung. Danke.“ Sie sah sich nach dem nächsten Stuhl um und ließ sich darauf nieder.
    La Motte lachte auf. „Englische Gastfreundlichkeit in ihrer vollendetsten Form. Ich bitte um Entschuldigung, Madame, ich bin ein schlechter Gastgeber, vor allem, nachdem Sie uns so höchst willkommene Neuigkeiten mitgebracht haben.“
    Pierce wurde unruhig. Er wollte mit Mélusine reden, aber nicht vor Saint-André und La Motte, und zuallererst musste er sich um Jean-Baptiste kümmern. „Jean-Baptiste hat mich nie gesehen“, meinte er. „Ich werde heute Abend dieselbe Postkutsche nach Chippenham nehmen. Vielleicht finden wir dann endlich heraus, mit wem er zusammenarbeitet.“
    La Motte nickte. „Ich werde das in die Wege leiten“, sagte er und verließ den Raum.
    „Wir kommen auch mit“, verkündete Mélusine. „Natürlich nicht in der Postkutsche, sondern in einem privaten Gefährt. Vielleicht könnte ich mich als hilfreich erweisen und die Person wiedererkennen, mit der Jean-Baptiste sich trifft“, fügte sie hastig hinzu, als Pierce protestieren wollte.
    „Sosehr ich es auch hasse, die Comtesse in eine unangenehme Situation zu bringen – aber ich glaube, das ist ein gutes Argument“, schaltete Saint-André sich ein. „In solche Angelegenheiten hat sie bislang einen ausgezeichneten Instinkt bewiesen. Auf dem Postschiff erzählte mir Mélusine, dass sie gleich bei Ihrer ersten Begegnung gemerkt hat, dass Sie nicht der waren, für den Sie sich ausgaben.“
    „Hat sie auch mitgeteilt, woran sie das gemerkt hat?“, erkundigte Pierce sich vorsichtig.
    „Ich sagte, du wärst nicht unterwürfig genug gewesen“, antwortete Mélusine anstelle von Saint-André.
    „Nach dem, was man hört, war Jean-Baptiste das auch nicht.“
    „Aber er tat so, als ob er das wäre“, erklärte sie. „Du bist einfach hereingekommen und hast uns allen gesagt, was wir zu machen hätten. Das ist nicht das normale Auftreten eines Dieners. Ich bitte um Verzeihung, Monsieur“, wandte sie sich nun verlegen und verwirrt an La Motte, der von ihr unbemerkt in das Arbeitszimmer zurückgekehrt war.
    „Kein Grund, sich zu entschuldigen“, versicherte Sir Henry. Er betrachtete seine Gäste mit belustigtem Interesse. Pierce wusste, sobald er wieder mit seinem Stiefvater allein war, würde ihn dieser einer freundlichen, aber gründlichen Befragung unterziehen. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, Comtesse. Bis zu Ihrer Ankunft befanden wir uns in einer ausweglosen Situation. Jedenfalls bin ich froh, die Gelegenheit zu haben, unsere Freundschaft zu erneuern.“
    Sie verschränkte nervös die Hände im Schoß. „Monsieur, haben Sie mich für die Erpresserin gehalten?“, fragte sie ihn ohne Umschweife. „Haben Sie Pierce deshalb zuerst zu mir geschickt und nicht zu Séraphin?“
    Pierce wollte etwas sagen, aber La Motte kam ihm zuvor. „Ich ging nicht davon aus, dass die Frau, die ich vor zwei Jahren kennenlernte, mich erpressen würde“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Aber in zwei Jahren kann viel geschehen. Die Menschen verändern sich. Es war Ihr Diener, der den Erpresserbrief überbrachte, und ich wusste nicht, dass Bertier Sie wohlversorgt zurückgelassen hatte.“ La Motte hielt inne und schien seine nächsten Worte mit Bedacht zu wählen. „Das war eine Freundlichkeit, die er nicht angekündigt hatte.“
    Mélusine sah eine Weile zu Boden, dann wandte sie sich zu Pierces Überraschung nicht an ihn oder La Motte, sondern an Saint-André. „Was meint er damit?“
    Saint-André zögerte, in seinen Augen stand tiefes Mitgefühl. Pierce ballte unbewusst eine Faust, als er begriff, dass das, was der Marquis wusste, Mélusine wehtun
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