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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten
Autoren: Fler
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zeigte. »Patrick, was sollen die Leute nur denken? Du musst
    ein lieber Junge sein. Oder willst du, dass alle schlecht über uns reden?« Ihre Worte trafen mich hart. Meine Mutter schämte sich für mich. Ich
    musste unbedingt versuchen, wieder der nette Patrick zu werden.
    Und irgendwie wollte ich ja auch Freunde haben. Beliebt sein. Einfach normal sein. A ber seitdem mein Vater weg war, hatte ich diese Wut in
    mir, und die Wut ließ sich von A nfang an nur schwer kontrollieren. Ich schrie, schlug und biss nach allen Seiten. Mir fehlte der Vater, zu dem
    ich aufschauen konnte, den ich respektierte. Ich musste schon damals mein eigener Held sein, und mit dieser Rolle war ich vollkommen
    überfordert. Ich war aggressiv ohne Ende und ließ die Wut an allem und jedem aus. Der einzige Ort, an dem ich zumindest ansatzweise
    friedlich blieb, war der Spielplatz, zu dem mich meine Mutter und ihre Freundin Susanne immer schleppten. Dort war ich so sehr mit meiner
    A ufgabe als A rchitekt von Sandburgen beschäftigt, dass ich meine Wut manchmal für mehrere Stunden vergaß. Hin und wieder bewarf ich
    zwar eines der anderen Kinder mit Sand, aber dann widmete ich mich gleich wieder meinen Förmchen. Doch eines Tages passierte etwas
    Seltsames mit mir auf dem Spielplatz: Während ich wieder einmal hoch konzentriert in der Sandkiste buddelte, konnte ich plötzlich überall um
    mich herum das Gesicht meines Vaters sehen, und ich stellte mir vor, wie schön es wäre, wenn er jetzt neben mir im Sand knien und stolz mit
    mir das Fähnchen oben in die Burg stecken könnte. Ich dachte die ganze Zeit an ihn und konnte mir einfach nicht erklären, warum er mich
    nicht mehr besuchen kam. Dass es ja eigentlich meine Mutter gewesen war, die den Kontakt verboten hatte, blendete ich in dem Moment total
    aus. Hat mich Papa etwa nicht mehr lieb?, fragte ich mich plötzlich. Hab ich irgendetwas falsch gemacht? Vielleicht hatte ich ihn ja schrecklich
    enttäuscht, so wie ich auch meine Mutter ständig enttäuschte, und er hatte deshalb einfach die Nase voll von mir? Ich saß in der Sandkiste und
    kam mir vollkommen allein vor. Ich konnte nicht ertragen, dass ich selbst womöglich meinen Vater vertrieben hatte, das Gefühl war einfach
    zu groß für mich. Es machte »Klick« in meinem Kopf, und die Wut war wieder da. Wie von der Tarantel gestochen, lief ich zu Susanne, der
    Freundin meiner Mutter, und baute mich schreiend und heulend vor ihr auf. Sie guckte nur völlig irritiert. Dann sprang ich sie an und landete
    direkt auf ihrem Schoß. Mit meinen kleinen Milchzähnen biss ich ihr so fest in den A rm, dass er zu bluten anfing. »Was machst du da, Patrick?
    Spinnst du?«, brüllte mich meine Mutter an. Wenn sie mich nicht zurückgezogen hätte, hätte ich Susanne ein ganzes Stück Fleisch
    herausgerissen. Meiner Mutter war das Ganze unendlich peinlich. »Sorry, Susanne. Ich weiß auch nicht, was mit dem Kleinen los ist. Ich
    verspreche dir, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird. Es tut mir so leid.« Wieder einmal schämte sie sich für mich und zerrte mich an
    der Hand hinter sich her zu uns nach Hause.
    A m nächsten Tag klingelte die Freundin an der Tür und zeigte uns wütend ihre Wunde. Die Bissstelle war total entzündet. A lles war ganz dick
    angeschwollen und hatte sich grün und blau verfärbt. A ls ich das sah, konnte ich mir meine A ktion selbst nicht mehr erklären. Ich fühlte mich
    schrecklich. Wahrscheinlich hätte ich eine ordentliche Tracht Prügel verdient gehabt, aber meine Mutter hat mich nie geschlagen – nur
    gemeckert hat sie, und das ständig. »Du bist echt zu nichts zu gebrauchen«, war einer ihrer Lieblingssätze. Ich sehnte mich danach, dass sie
    mich in den A rm nahm und mich tröstete, aber das kam so gut wie nie vor. Ich fühlte mich klein und nutzlos und allein – eigentlich meine
    ganze Kindheit hindurch.
    Papa 2.0

    Und da war er auf einmal: der neue Typ an Mamas Seite. Er hieß Erich Losensky, war Taxifahrer, hatte ein weiches Gesicht und lange braune
    Haare. Mit seinem wuscheligen Vollbart war er eindeutig der Typ Teddybär. Er schien mir fast schon zu soft für unsere zerrüttete Familie. So
    einen netten Menschen wie ihn hatte ich bis dahin noch nicht kennengelernt. Ich sah Erich an diesem Tag aber nicht zum ersten Mal: Vor ein
    paar Wochen hatte ich ihn noch Hand in Hand mit unserer Nachbarin durch die Siedlung laufen sehen. Und nun sollte er plötzlich der neue
    Freund meiner Mutter sein? A ls er zum
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