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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman
Autoren: Limes
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Stille, es war zu ruhig.
    Plötzlich drehte er sich um und erblickte den Mönch, der sich wie ein unerschütterlicher Fels vor ihm erhob.
    »Dieser Scheißbulle hat dich nicht verraten, er hat nichts ausgespuckt.«
    Nathan wollte aufstehen, aber seine Kräfte hatten ihn verlassen. Er sah, wie Michaels Hand wie eine Klaue auf ihn zusauste und sich wie ein Schraubstock um seinen Kiefer schloss.
    Dann versank er im Nichts.
    58
    Ein purpurrotes Licht sickerte durch seine geschlossenen Lider. Ein metallischer, klebriger Geschmack drang durch seine Lippen, strömte in seine Kehle …
     
    » Ich flehe dich an, o allmächtiger Meister! Ich, dein Diener unter den Engeln. Ich beschwöre dich bei deiner Wunderbaren Geburt und den fünf Nägeln, die deinen Heiligen Körper durchbohrt haben … «

     
    Koptische Beschwörungsformeln ertönten in seinem erwachenden Bewusstsein wie Grabgesang. Als er die Augen öffnete, nahm er zuerst verschwommene Bilder, zerkratzte Konturen wahr, dann sah er es:
    Das Blut.
    Das dicke Blut, das in Strömen über sein Gesicht und seinen nackten Oberkörper lief und in grausigen Spiralen über die Arme des verrückten Mönchs rann, der vor ihm stand.
    Michaels schwarze Augen, sein hassverzerrtes Gesicht.
    Der heilige Ibis, der sich wütend wehrte, als das Ungeheuer ihm die Kehle durchschnitt. Er opferte das Tier.
     
    » Ich beschwöre dich, o Abendstern, bei deinem erhabenen Namen Surdidial! Ich beschwöre dich, o Zweiter Himmel! In Wahrheit Adunai, Herr Zebaoth Jesus, mein geliebter Meister, und ich werde nicht aufhören, dich anzuflehen, bis du mich erhört hast … «
     
    Nathan wollte sich aufrichten, aber er war auf dem kalten Stein festgeschnallt. Er konnte deutlich die gewölbten Wände und die Flammen der Kandelaber erkennen. Michael hatte ihn in die Krypta geschleppt, um… ihn zu exorzieren.
     
    » Bei den vierundzwanzig himmlischen Greisen, Messias Adunai, höre die Stimme meiner Klage und trage sie zur Macht des Vaters. Auf dass er durch die Kraft dieses Gebets die Macht von Gafhaïl zu sich rufe … «
     
    Er war ein gefährlicher Irrer.
    Er betete, er rief den Meister an, damit der Engel seine körperliche Hülle verlasse … Aus diesem Grund hatte er ihn lebendig haben wollen, aus diesem Grund hatten seine Brüder ihn in Paris nicht getötet, hatten sie ihn in der Kirche nicht niedergeschossen. Ohne diese Zeremonie hätte er riskiert, Gafhaïl,
der Nathans sterbliche Überreste in die Finsternis begleitet hätte, für immer zu verlieren.
     
    » Ich beschwöre dich beim Zeichen des Kreuzes und bei den Vier Körperlosen Tieren: Gabraral, Sarafital, Watatal und Dunial. Ich werde weiterhin deine Heilige Mission erfüllen, ich werde den Ruhm des Blutkreises erneuern, damit die Rache sich gegen alle Dämonen, Feinde und bösen Geister erhebt und sie für immer aus deinem Reich verjagt werden … «
     
    Dann schwieg Michael und steckte seine Hand unter seine blutbesudelte Tunika. Ein Gefühl eisiger Kälte und des Entsetzens packte Nathan. In dem ruhigen Blick des Mönchs las er, dass das Ende der Zeremonie nahe war. Der Engel verließ den Körper des Verräters. Er konnte endlich sterben. Die Hand kam wieder zum Vorschein, bewaffnet mit einem ziselierten Dolch.
    Nathan wurde von Krämpfen geschüttelt, er krümmte sich auf dem Tisch, die Fesseln gruben sich in seine Haut. Aber schon schnitt die Klinge in sein Fleisch …
    Er brüllte vor Entsetzen.
    Der Engel wollte ihm das Herz bei lebendigem Leib herausschneiden.
    Plötzlich verzerrte sich Michaels Gesicht, sein Mund rundete sich in einem Ausdruck der Verblüffung, begleitet von einem Röcheln, eine karminrote Rose deutete sich auf seinem Hals an, erblühte … dann schoss plötzlich eine schwarze Spitze in einer Fontäne aus Blut, Gewebe- und Knochensplittern aus seiner Kehle. Er schlug um sich, wollte schreien, aber seine Stimme erstickte in einem blutigen Gurgeln. Seine Arme streckten sich ein letztes Mal zum Himmel, dann kippte er vornüber.
    Nathan glaubte zu delirieren, zu halluzinieren, aber als er den Kopf hob, erblickte er Rhoda, über eine Lanze aus Stahl gebeugt, die im Nacken des Mönchs steckte.

    59
    Die Hand der jungen Frau löste sich langsam von der erlösenden Waffe, und ihr tränenfeuchter Blick tauchte in den von Nathan. Mit einer Handbewegung trocknete sie ihre Wangenknochen und löste dann die Ledergurte, die Nathan fesselten. Ihre Hände zitterten immer wieder.
    »Was … was haben sie nur mit dir
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