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Im Banne des schwarzen Schwertes

Im Banne des schwarzen Schwertes

Titel: Im Banne des schwarzen Schwertes
Autoren: Michael Moorcock
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gedacht, ich wäre alles Überflüssige los, bis auf meine eigene hartnäckige Gestalt«, sagte der Mann erschöpft. »Aber hier ist nun etwas zu mir zurückgekehrt. Verliere ich den Verstand - hat sich meine Logik abgenutzt?«
    »Sei unbesorgt«, meinte Rackhir, »wir sind stoffliche Wesen.«
    »Das fürchte ich ja gerade. Seit einer Ewigkeit habe ich die Schichten der Unwirklichkeit abgetragen, die die Wahrheit verbergen. Beinahe war mir der letzte Schritt gelungen, und jetzt beginnt ihr zurückzukriechen. Mein Geist ist wohl nicht mehr der alte.«
    »Vielleicht machst du dir Sorgen, daß wir nicht existieren?« fragte Lamsar langsam und mit raffiniertem Lächeln.
    »Ihr wißt, daß das der Fall ist - ihr existiert nicht, so wie ich nicht existiere.« Das Stirnrunzeln kehrte zurück, die Gesichtszüge verzerrten sich, wieder begann der Körper zu verblassen, um nur wieder in den früheren Zustand zurückzuschnellen. Der Mann seufzte. »Schon mit meinen Antworten auf eure Frage verrate ich mich selbst, doch ein bißchen Entspannung wird wohl meine Kräfte schonen und mich für eine letzte Willensanstrengung fit machen, die mich zur höchsten Wahrheit vorstoßen läßt - zur Wahrheit des Nicht-Seins.«
    »Aber nicht zu sein besagt doch, nicht zu denken, nicht zu wollen, nichts zu tun«, meinte Lamsar. »Sicher willst du dich noch keinem solchen Schicksal ausliefern.«
    »Es gibt kein solches Ding als Ich. Ich bin das einzige logisch denkende Ding in der Schöpfung -ich bin fast das reine Denken. Noch ein wenig mehr Anstrengung, dann bin ich, was ich zu sein wünsche - die einzige Wahrheit in diesem nichtexistenten Universum. Das setzt zunächst voraus, daß ich mich aller Äußerlichkeiten rings um mich entledige - etwa euch - und daß ich dann den letzten Sprung in die einzige Realität mache.«
    »Und die wäre?«
    »Der Zustand des absoluten Nichts, da nichts die Ordnung der Dinge stört, weil es eben keine Ordnung der Dinge gibt.«
    »Kein sehr konstruktives Ziel«, stellte Rackhir fest.
    »Konstruktivität ist ein bedeutungsloses Wort -wie alle Worte, wie die gesamte sogenannte Existenz. Alles bedeutet nichts - das ist die einzige Wahrheit.«
    »Aber was ist mit dieser Welt? So öde sie auch ist, hat sie doch Licht und festes Gestein. Dem hast du mit Logik seine Existenz noch nicht rauben können«, meinte Lamsar.
    »Das alles wird zu bestehen aufhören, wenn ich zu bestehen aufhöre«, meinte der Mann langsam. »Wie auch ihr. Dann kann es nichts geben außer dem Nichts, und die Ordnung wird unangefochten herrschen.«
    »Aber die Ordnung kann dann nicht herrschen -deiner Logik zufolge darf sie dann auch nicht mehr existieren.«
    »Du irrst - das Nichts ist die Ordnung. Das Nichts ist das Ziel der Ordnung. Die Ordnung ist der Weg zu ihrem höchsten Stadium, dem Stadium des Nicht-Seins.«
    »Nun«, sagte Lamsar nachdenklich, »dann solltest du uns besser sagen, wo wir das nächste Tor finden.«
    »Es gibt kein Tor.«
    »Doch, wenn es eins gäbe, wo würden wir es finden?« fragte Rackhir listig.
    »Wenn so ein Tor bestünde - das tut es aber nicht -, hätte es sich innerhalb des Bergs befunden, in der Nähe des Friedenssees, wie er früher genannt wurde.«
    »Und wo war das?« wollte Rackhir wissen, im Bewußtsein der schrecklichen Klemme, in der sie steckten. Es gab keine besonderen Kennzeichen in der Landschaft, keine Sonne, keine Sterne -nichts, nach dem sie die Richtung hätten bestimmen können.
    »Dicht am Berg der Strenge.«
    »Und welche Richtung muß man dahin einschlagen?« erkundigte sich Lamsar.
    »Hinaus - darüber hinaus - ins Nichts.«
    »Und wohin werden wir geschickt, wenn du mit deinem Vorhaben Erfolg hast?«
    »In ein anderes Nichts. Auf diese Frage kann ich nicht genau antworten. Aber da ihr in Wirklichkeit nie existiert habt, könnt ihr in keine NichtWirklichkeit weiterziehen. Nur ich bin real - und ich existiere nicht.«
    »Wir kommen nicht weiter«, stellte Rackhir mit einem Grinsen fest, das schnell in ein Stirnrunzeln überging.
    »Nur mein Verstand hält die Nicht-Realität im Bann«, sagte der Mann, »und ich muß mich konzentrieren, sonst kommt alles zurückgeflutet, und ich muß wieder von vorn anfangen. Im Anfang war da alles - Chaos. Ich schuf das Nichts.«
    Resigniert spannte Rackhir den Bogen, legte einen Pfeil auf die Sehne und zielte auf den stirnrunzelnd dastehenden Mann.
    »Du wünschst dir das Nicht-Sein?« fragte er.
    »Das habe ich dir doch schon gesagt.«
    Rackhirs Pfeil
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