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Im Bann des Kindes

Im Bann des Kindes

Titel: Im Bann des Kindes
Autoren: Vampira VA
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nutzen können, um etwas zu erkennen. Doch der Schmerz und etwas, das noch darüber hinausging, betäubten ihre Sinne, schlugen sie mit einer Blind- und Taubheit, von der sie sich fast wünschte, sie möge nie mehr von ihr weichen. Damit sie nicht bewußt erdulden mußte, was noch kommen würde.
    Denn sie ahnte, daß die hinter ihr liegende Folter und die Demütigungen nur der Auftakt gewesen waren.
    Um so überraschter war sie, als es anders kam.
    Irgendwann hatte der Schmerz so weit nachgelassen, daß sie ihre Umgebung zumindest halbwegs wahrnehmen konnte, so wie ein Mensch in einem abgedunkelten Raum sehen mochte.
    Es war nicht etwa eine Zelle, in die man sie, als sie besinnungslos gewesen war, geworfen hatte.
    Sondern ein Gemach. Ein riesiger Raum, der an Pracht alles übertraf, was Lilith je zuvor gesehen hatte. Gold und edle Stoffe und Teppiche bestimmten das Bild, und auf ihrer nackten Haut fühlte sie feinste Seide.
    Wie in ein Märchen versetzt kam Lilith sich vor. Oder wie in einem Traum .
    Ein Traum im Traum ...? fragte etwas in ihr, doch es verstummte, noch bevor sie an eine Antwort auch nur zu denken vermochte.
    Staunend sah Lilith sich um, entdeckte eine Kostbarkeit nach der anderen. Wundervolle Kleider, in die der Symbiont sie nie würde hüllen können, weil Liliths Vorstellungskraft nicht ausreichte, sie in Gedanken zu formen; exotische Düfte, die ihre Sinne beflügelten; Schmuck und Geschmeide, wie sie teurer in den Königshäusern der Menschheit nicht zu finden gewesen sein konnten .
    Der Menschheit .
    Dieser Gedanke war es, der den Zauber brach. Die Menschen - es gab sie nicht mehr. Nicht mehr als jene, die die Welt zu dem gemacht hatten, was sie vor der Übernahme durch die Vampire gewesen war: zu einem Ort, der allen Widrigkeiten und aller Unvollkommenheit zum Trotz lebenswert gewesen war.
    »Und ich bin schuld«, flüsterte Lilith. Ihr Zorn gegen sich selbst entlud sich in einer Armbewegung, mit der sie Flakons und hundert andere Dinge von einer Kommode aus edlem Holz fegte. Klirrend gingen die Fläschchen zu Bruch, ihr Inhalt lief ineinander, und Düfte stiegen empor, die Lilith in ihrer Mischung fast den Atem nahmen.
    Das war kein Wohlgeruch mehr. Der Gestank erinnerte sie an Verwesung, Tod und Niedergang .
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren.
    Die Tür wurde geöffnet. Drei Mädchen betraten das Zimmer. Jedes eine Schönheit. Und jedes tot. Dienerkreaturen.
    »Was wollt ihr?« fuhr Lilith sie an, mit schneidender Schärfe in der Stimme.
    »Folge uns«, sagten sie im Chor.
    »Wohin?«
    »Du sollst vorbereitet werden.«
    »Vorbereitet worauf?« fragte Lilith.
    »Willst du ihm denn so entgegentreten?« erwiderten sie wieder wie aus einem Mund, und selbst die Geste, mit der sie auf Lilith wiesen, war unnatürlich synchron.
    Lilith sah an sich herab. Und erschrak. Ihr Körper war zerschunden, schmutzig, besudelt von schwarzem Blut und anderen Dingen, über die sie lieber nicht nachdachte. Aber schon der Anflug der Erinnerung an die Stunden, die sie am Pranger zugebracht hatte, genügte, um den Schmerz von neuem heraufzubeschwören.
    »Wem soll ich gegenübertreten?« fragte Lilith. »Und worauf wollt ihr mich vorbereiten?«
    »Du weißt es nicht?« Die Verwunderung der drei Grazien war voller kindlicher Ehrlichkeit.
    Lilith schüttelte stumm den Kopf.
    »Auf die Bluthochzeit«, sagten sie aus einem Munde.
    *
    Lilith sperrte alles um sich her aus, indem sie die Augen geschlossen hielt.
    Mit den sichtbaren Dingen gelang ihr dies auch. Alles andere jedoch blieb auch hinter ihren Lidern präsent.
    Bluthochzeit...
    Was mochte sich dahinter verbergen? Lilith wußte es nicht; aber sie wußte, daß sie es nie erfahren wollte. Nur würde man ihr kaum eine Wahl lassen.
    Den Gedanken an Flucht hatte sie aufgegeben, kaum daß sie aus dem Gemach getreten war. Die drei Dienerkreaturen zu überwältigen, hätte sie sich zwar selbst in ihrem angeschlagenen Zustand zugetraut. Doch mit all den anderen Kreaturen und Vampiren, die allein schon in der Nähe der Tür gestanden hatten, wäre sie nie fertiggeworden.
    Und selbst wenn - ihre Flucht hätte damit im Grunde erst begonnen. Eine Flucht durch ein Labyrinth von Gängen und Treppen, die den Palast - denn nirgends sonst konnte sie sich befinden - wie das Gedärm eines Ungeheuers durchzogen. Lilith war sicher, daß sie nicht einmal den Weg zurück in ihr Gemach ohne Hilfe gefunden hätte, obwohl sie kaum fünf Minuten gegangen waren.
    Ihr Ziel war ein
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