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Im Bann der Leidenschaft

Im Bann der Leidenschaft

Titel: Im Bann der Leidenschaft
Autoren: Susan Johnson
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zu Zena. »Halten Sie sich in fünfzehn Minuten bereit«, forderte er brüsk. »Ich habe es eilig.«
    Während Rutledge mit ihr zum Lapislazulizimmer ging, erkundigte er sich höflich, ob sie irgend etwas brauche.
    »Nein – danke«, erwiderte sie, eingeschüchtert vom verschwenderischen Luxus des Rokokopalais und der Arroganz des englischen Butlers. Die Diener ihrer Familie waren stets einfache, freundliche russische Bauern gewesen.
    Einige Minuten später erlaubte sich Rutledge, die Brauen hochzuziehen, und informierte die Haushälterin über den ›Gast‹ des Prinzen. »Gewiß sehen wir viele junge – eh – Damen kommen und gehen. Aber meistens kennt unser Herr ihre Namen.«
    »Zweifellos wird er morgen früh wissen, wie sie heißt«, entgegnete Mrs. Chase trocken. Dann warteten sie in der Halle, falls der Prinz vor der Abreise noch irgendwelche Wünsche äußern sollte.
    Bald erschien er auf den Stufen, in einem weißen Muschkin-Hemd mit rotem Wildledergürtel über einer schwarzen Kaschmirhose, die in elegant bestickten schwarzen Glacelederstiefeln steckte. In seiner Ungeduld hatte er das lange dunkle Haar nur mit den Fingern gekämmt.
    Als er herabrannte, schlüpfte er in einen perlgrauen Luchsmantel. Zwischen den Falconet-Nymphen am Fuß der Treppe blieb er stehen. »Hat Ivan einen Boten vorausgeschickt, um den Moskauer Zug anhalten zu lassen?«
    »Ja, mein Herr«, antwortete Rutledge.
    »Ist der patissier reisefertig?«
    »Gewiß – und schon unterwegs zur Moskauer Vauxhall 2 .«
    »Wurden die Waffen und Weinkisten abtransportiert?«
    »Natürlich, mein Herr. Haben Sie noch einen Wunsch?«
    »Nein, danke, Rutledge. Und Ihnen danke ich auch, Mrs. Chase. Sie sind beide sehr tüchtig.«
    Der Prinz wanderte in der Halle umher. Ungeduldig schlug er mit einem Handschuh auf seine Finger. »Inzwischen muß Mademoiselles Toilette eine Viertelstunde gedauert haben. Bitte lassen Sie ihr ausrichten, sie soll sich beeilen.«
    Verdammt, dachte er, gibt es denn keine pünktlichen Frauen? Noch fünf Minuten wollte er ihr zugestehen, dann würde er ohne sie abreisen.
    Bevor einer der Lakaien nach ihr sehen konnte, lief sie die Treppe herab und entschuldigte sich atemlos: »Verzeihen Sie, Monsieur, aber das Kaminfeuer verbreitete eine so angenehme Wärme, und meine Schuhe waren ganz naß …«
    »Schon gut«, unterbrach er sie und packte ihren Arm. »Kommen Sie, der Moskauer Zug wird eigens meinetwegen angehalten.«
    »Auf Wiedersehen, Prinz Alex!« riefen Rutledge und Mrs. Chase wie aus einem Mund.
    »Au revoir. In zwei Wochen bin ich wieder da, falls meine Eltern nach mir fragen.«
    Als er mit Zena in der Troika saß, erklärte sie: »Monsieur, ich müßte kurz anhalten.«
    »Was?« stieß er ärgerlich hervor.
    »Bitte! Es dauert nicht lange.«
    Seufzend gab er sich geschlagen. Der Zug hatte schon oft genug auf ihn gewartet. Und die Kleine sah in ihrer Zerknirschung bezaubernd aus. »Also gut. Wo sollen wir halten?«
    Sie gab die Adresse an, die er seinem Fahrer nannte. Kurz danach zügelte Ivan das Gespann in der schmalen Straße hinter dem Stadthaus ihrer Tante.
    »Vielen Dank, Monsieur.« Zena sprang aus der Troika. Lautlos öffnete sie die Küchentür und schlich zum Kinderzimmer im zweiten Stock hinauf. Tiefe Stille erfüllte das Haus. Offenbar war ihre Tante noch nicht zurückgekehrt und suchte im Dolgorouky-Palast nach ihr. Jedenfalls mußte sie sich beeilen. Sie stopfte ein paar von Bobbys Kleidern in eine Tasche und hob ihren schlafenden Bruder aus dem Bettchen. Auf leisen Sohlen rannte sie am Nebenzimmer vorbei, in dem die Kinderfrau vernehmlich schnarchte, und verließ hastig das Haus.
    Sie stieg in die Troika. Ohne eine Miene zu verziehen, breitete Ivan eine Decke über Zena und den Jungen, ehe er weiterfuhr. Der Prinz döste, den Kopf an die grüne Samtpolsterung gelehnt. Langsam öffnete er die Augen, und sein Atem stockte. O Gott, sie hatte ein Kind! Er richtete sich auf und starrte das kleine Gesicht an.
    »Monsieur«, wisperte Zena. »Ich konnte ihn nicht zurücklassen.«
    »Eh – natürlich nicht.« Nur mühsam erholte er sich von seinem Schrecken.
    »Er ist alles, was ich habe.«
    »Das verstehe ich, ma petite«, versicherte er höflich. Dann fluchte er in Gedanken: Sacré bleu! Wie ungewöhnlich, daß eine Straßendirne ihr Balg auf einer ›Geschäftsreise‹ mitnahm …

4
    In rasendem Tempo fuhr die Troika zur Station. Von den Mäulern des kostbaren braunen Gespanns wehten weiße Atemwolken
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