Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
der Waffe tasten, um zu wissen, daß sie dort war; ihr Gewicht fühlte sich an wie ein Tumor, der auf meinen Rippen wuchs. Trotzdem schob ich eine Hand unter die Jacke und drückte die Fingerspitzen gegen den Griff der Pistole, wie ein abergläubischer Mensch vielleicht einen Talisman berühren würde.
    Nicht nur meine Lederjacke war schwarz. Ich trug auch schwarze Rockports, schwarze Socken, schwarze Jeans und einen langärmeligen schwarzen Baumwollpullover. Ich gehe nicht deshalb schwarz in schwarz gekleidet, weil ich modemäßig Vampiren, Priestern, Ninja-Kriegern oder Hollywoodstars nacheifere. In dieser Stadt verlangt die Umsicht, des Nachts nicht nur gut bewaffnet zu sein, sondern auch mit den Schatten zu verschmelzen, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen.
    Ich ließ die Glock im Halfter, blieb auf dem Fahrrad sitzen, berührte aber mit beiden Füßen den Boden und löste die kleine Taschenlampe von der Lenkstange. Mein Fahrrad verfügt über keine Lampe. Ich habe so viele Jahre in der Nacht und in Räumen gelebt, die höchstens von Kerzen erhellt werden, daß meine an die Dunkelheit angepaßten Augen nur selten Unterstützung benötigen.
    Der Strahl drang vielleicht zehn Meter tief in den Betontunnel ein, der gerade Wände aufwies, aber über eine gekrümmte Decke verfügte. Im ersten Abschnitt dieses Durchgangs lauerte offensichtlich keine Bedrohung.
    Orson wagte sich hinein.
    Bevor ich dem Hund folgte, lauschte ich noch auf den Verkehr, der weit über mir auf dem Highway l nach Norden und Süden brauste. Wie immer löste dieses Geräusch bei mir gleichzeitig mitreißende, aber auch melancholische Gefühle aus.
    Ich habe nie den Führerschein gemacht und werde es wohl auch nie tun. Ich könnte zwar die Hände mit Handschuhen und das Gesicht mit einer Maske schützen, aber die unablässig entgegenkommenden Scheinwerfer würden immer noch eine Gefahr für meine Augen darstellen. Außerdem könnte ich weder in südliche noch in nördliche Richtung eine nennenswerte Strecke an der Küste entlang zurücklegen, ohne rechtzeitig vor Sonnenaufgang wieder zu Hause sein. Während ich das Dröhnen des Verkehrs auf mich wirken ließ, spähte ich den breiten Strebepfeiler aus Beton hinauf, in den der Tunnel eingelassen war. An der höchsten Stelle dieser beträchtlichen Schräge wurden die Scheinwerferlichter von den stählernen Leitplanken reflektiert, die den Randstreifen des Highways säumten. Die passierenden Fahrzeuge selbst konnte ich nicht ausmachen.
    Aus den Augenwinkeln sah ich aber - oder glaubte zu sehen - daß dort oben jemand kauerte, auf der rechten Seite, eine Gestalt, die nicht ganz so schwarz wie die Nacht war, in die sie gehüllt war, und die außerdem sporadisch vom vorbeiziehenden Verkehr erhellt wurde. Es war wohl ein Mann; er stand auf dem Strebewerk, dicht neben der Leitplanke, war kaum auszumachen und strahlte doch eine Aura aus, die genauso bedrohlich wirkte wie die eines Wasserspeiers, der auf der Brüstung einer Kathedrale hockt.
    Als ich den Kopf reckte, um besser sehen zu können, ließen die Lichter einer dichten Ansammlung heranrasender Pkws und Lastwagen die Schatten auffliegen wie einen gewaltigen Schwarm Raben, die vor einem Gewitter fliehen wollen. Zwischen diesen flatternden Phantomen rannte eine offensichtlich stofflichere Gestalt schräg nach unten, entfernte sich von mir und der Mauerstütze und lief nach rechts über die grasbewachsene Böschung.
    In einem Sekundenbruchteil, so kam es mir jedenfalls vor, war der Mann außerhalb der Reichweite der grellen Scheinwerfer, verlor sich in der tieferen Dunkelheit und wurde überdies von den Wänden des Flußdamms, die sich sechs Meter hoch auftürmten, vor meinen Blicken verborgen. Vielleicht schlug er einen Kreis zurück zum Rand des Tunnels, um das Flußbett hinter mir zu betreten.
    Vielleicht war er aber auch gar nicht an mir interessiert. Obwohl die Vorstellung, daß sich das ganze Weltall um mich dreht, etwas Tröstliches hätte, bin ich nicht der Mittelpunkt des Universums.
    Womöglich existierte diese geheimnisvolle Gestalt auch gar nicht. Ich hatte lediglich einen ganz kurzen Blick auf sie werfen können, so daß ich mir nicht absolut sicher sein konnte, ob sie nicht nur eine Illusion gewesen war.
    Wieder griff ich unter die Jacke und berührte die Glock.
    Orson war mittlerweile so tief in den Tunnel unter dem Highway 1 hineingetrottet, daß er sich fast außerhalb der Reichweite meiner Taschenlampe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher