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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
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denn ich bin eine freie und rechtmäßige Bürgerin Ugarits.«
    Die Richter besprachen sich, dann sagte Uriah: »Solche Präzedenzfälle hat es durchaus gegeben, allerdings vor sehr langer Zeit. Also dann, gute Frau. Auch wenn wir empfehlen würden, dass du dich in deinem eigenen Interesse des Beistands eines männlichen Verwandten oder auch eines Wortführers vergewisserst, gestatten wir dir, für dich selbst zu sprechen.« Und zu dem Gerichtsschreiber, der Ton und Ritzstift bereithielt: »Das soll im Protokoll so festgehalten werden.«
    Wieder an Avigail gewandt, fragte er: »Was für einen Fall trägst du dem Gericht vor?«
    Avigail räusperte sich nervös. »Meine Herren«, hob sie an, »ich bin es nicht gewöhnt, öffentlich zu reden. Ich bin nach alten Sitten und Gebräuchen aufgewachsen und habe derlei Verhandlungen Männern überlassen. Ihr kennt meinen Sohn Elias, und ihr kanntet meinen Ehemann Yosep, beides Ehrenmänner. Schon deshalb bin auch ich ehrenwert. Dennoch bin ich gezwungen, alle Schicklichkeit und Würde beiseitezulassen, um für die Rechte meiner Familie zu kämpfen. Ich bitte euch, über meine mangelnde Erfahrung im Umgang mit diesem erhabenen Gericht gütig hinwegzusehen.«
    »Schon gut«, sagte Uriah. »Trage deinen Fall vor.«
    »Meine Herren, diese Frau, Zira, und ihr Bruder Jotham haben meinen Sohn betrogen. Sie haben eine Vereinbarung über ein Darlehen von der Bank aufgekauft und meinem Sohn dann eine Zahlungsaufforderung über einen zehnmal höheren Betrag als im Originalvertrag vereinbart vorgelegt. Jetzt hat mir diese Frau mein Haus weggenommen und droht damit, mich und meine Familie in die Sklaverei zu verkaufen.«
    Richter Uriahs breite schwarze Brauen wölbten sich. »Dies ist eine schwere Anschuldigung. Was hat Zira Em Yehuda darauf zu erwidern?«
    »Das ist Unsinn, meine Herren«, erwiderte Ziras Anwalt. »Die Abrechnung ist völlig korrekt. Weil Elias den Betrag nicht bezahlen konnte, steht dem Inhaber seines Wechsels das Recht zu, sich seinen Besitz anzueignen, also seine Villa, die Weinkellerei und seine Familie. Was seine Mutter hier vorträgt, ist verleumderisch.«
    »Das scheint mir auch so zu sein«, sagte der Richter ernst. »Ich rate dir, vorsichtig zu sein und die Götter anzurufen, gute Frau, denn mit deiner Behauptung fichst du Ziras Ruf und den ihres Bruders an, die beide in dieser Stadt hohes Ansehen genießen. Hast du überhaupt einen Beweis für deine Anschuldigung?«
    »Das Original der Aufzeichnung des Abkommens über das Darlehen befindet sich im Archiv der Bank.« Avigail holte tief Luft. Hoffentlich gab sie jetzt wortwörtlich wieder, was Faris ihr gesagt hatte. »Ich bestehe darauf, dieses Original einzusehen und es mit besagter Zahlungsaufforderung zu vergleichen.«
    Der Richter runzelte die Stirn. »Das steht dir nicht zu. Keinem gewöhnlichen Bürger ist dies gestattet, schon gar nicht einer Frau. Bankunterlagen dürfen nur vom Leiter einer Bank eingesehen werden. Wäre es anders, würden die Archive von Bürgern gestürmt werden, die sich betrogen fühlen, und das dürften die meisten Bewohner von Ugarit sein.«
    Die Zuschauer lachten schallend auf. Als wieder Ruhe eingekehrt war, fragte der Oberste Richter: »Wo ist die Kopie des Darlehenvertrags, die deinem Sohn ausgehändigt wurde?«
    »Sie wurde vernichtet, Herr, und die Bankkopie, die Jotham aufgekauft hat, befindet sich in den Händen von Zira. Sie gewährt mir allerdings keinen Einblick, damit ich sie mit der Zahlungsaufforderung vergleichen kann. Nach meinen Informationen besitzt die Bank jedoch ein laufendes Verzeichnis über alle Transaktionen, die dort getätigt werden, mit Namen, Höhe der Beträge und dem Monat, in dem die Transaktionen stattfanden. Diese Aufstellung verlange ich einsehen zu dürfen.«
    Avigail tippte sich ans Kinn. »Und ich
habe
das Recht, offizielle Dokumente einzusehen, Hohes Gericht, denn ich bin der Haushaltsvorstand. Außerdem bin ich keine gewöhnliche Bürgerin. Ich gehöre, wie die Herren sehr wohl wissen, einer sehr angesehenen Familie an.«
    Einer der anderen Richter beugte sich vor und fragte ungläubig: »Welchem Haus behauptest du vorzustehen?«
    »Meinem eigenen.«
    Verblüfftes Schweigen. Bis Zira das Wort ergriff. »Du hast kein Haus, Avigail. Du gehörst zum Haus deines Sohnes. Außerdem ist keine Frau ein Haushaltsvorstand.«
    »Ich stehe jetzt dem Haus meines Sohnes vor, und weil er nicht da ist, habe ich das Recht, es mein Haus zu nennen.«
    Ungeachtet
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