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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld
Autoren: Sabine Kornbichler
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Orientierung zu verlieren. Vielleicht wünschte ich mir das auch nur, weil ich vor der Richtung, in die sich meine Gedanken bewegten, zurückschreckte. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprach laut aus, was ich dachte. » Wenn er persönlich so betroffen war, dann bedeutet das, dass ihm eine dieser drei Frauen nahe gestanden haben muss. «
    Sie nickte. » Oder aber es gibt wirklich eine vierte Person. Und sie ist diejenige, die ihm nahe gestanden hat. «
    21
    Vier Wochen lang hatte ich mir die Wahrheit über die Hinte r gründe von Gregors Tod herbeigesehnt. Und jetzt? Mit einem Mal wünschte ich mir, den Blick von dieser Wahrheit abwenden zu können –weiterzugehen, ohne ihr ins Gesicht sehen zu müssen.
    Am Dienstagabend rief Annette an und erzählte mir schluc h zend, dass Joost verhaftet worden sei. Bereits am Vormittag sei er ins Polizeipräsidium zitiert worden. Man habe ihn dort den ganzen Tag über verhört und danach nicht mehr gehen lassen.
    » Joost sitzt in Untersuchungshaft «, sagte sie mit Angst in der Stimme. » Ich verstehe das überhaupt nicht. Er kann es nicht gewesen sein. «
    » Was kann er nicht gewesen sein, Annette? « Ich schluckte und lehnte mich Halt suchend gegen die Wand hinter mir. Dann ließ ich den Gedanken zu. » Joost soll Gregor vom Balkon gestoßen haben? «
    » Das vermutet jedenfalls dieser Kommissar, der mich anger u fen hat. Aber er muss sich irren. « Ihr Atem ging stoßweise. » Irgendetwas ist da schief gelaufen. Bestimmt ist Joost von jemandem beschuldigt worden, der damit seinen eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen will. «
    » Hat Joost das gesagt? Hast du mit ihm gesprochen? «
    » Nein. Angeblich will Joost mit niemandem sprechen. « Ihre Stimme war belegt vom vielen Weinen. » Ic h h abe ein paar Sachen für ihn gepackt und will gleich noch dort vorbeifahren. «
    » Würdest du mich anrufen, wenn du zurück bist? «
    Sie hatte es versprochen, ihr Versprechen jedoch nicht halten können, wie ich später erfuhr. Im Untersuchungsgefängnis hatte man Joosts Sachen in Empfang genommen, Annette jedoch an diesem Abend nicht mehr zu ihm gelassen. Auf dem Heimweg hatte sie im Auto einen Nervenzusammenbruch erlitten und war vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht worden.
    Mir waren die Stunden dieser Nacht sehr lang geworden. Eine jede hatte sich endlos hingezogen, während das Warten an meinen Nerven zerrte. Erst um acht Uhr morgens klingelte das Telefon. Ich ging sofort dran.
    » Was hat er gesagt? «, fragte ich wie aus der Pistole gescho s sen .
    Sekundenlang war es still in der Leitung. » Er hat es schließlich zugegeben «, hörte ich eine Stimme sagen, die nicht Annette gehörte.
    » Frau Kluge …? «
    » Guten Morgen, Frau Gaspary «, sagte die Beamtin. In ihrer Stimme schwang ein Ton mit, der auf gute Nachrichten schli e ßen ließ.
    Alles in mir wehrte sich gegen die Vorstellung, etwas könne gut an der Nachricht sein, dass Joost … Ja, was hatte er übe r haupt getan? Ich fragte sie danach.
    » Am besten kommen Sie hierher. Dann können wir gemei n sam die Vernehmungsprotokolle durchgehen. Ich habe sie gerade auf den Tisch bekommen. «
     
    A ls ich Jana bei Mariele Nowak ablieferte, nahm sie meine Hand in ihre und drückte sie. » Schlimm? «
    » Sehr «, antwortete ich. Und mit Blick auf Jana: » Ich weiß nicht, wie lange es dort dauern wird. «
    » Lassen Sie sich Zeit. Jana ist bei mir gut aufgehoben. Wir werden einen Kuchen backen. Dann gibt es Nervennahrung, wenn Sie zurückkommen. «
    Die hätte ich bereits in diesem Moment gebrauchen können. Auf der Fahrt ins Polizeipräsidium konzentrierte ich mich bewusst auf den Verkehr und schob alles andere beiseite. Ich wollte heil ankommen. Und ich wollte endlich wissen, was an jenem Montag vor vier Wochen geschehen war.
    » Um das zu verstehen «, sagte Kai-Uwe Andres, der sich mit seiner Kollegin und mir um einen Tisch gesetzt hatte, » müssen wir drei Jahre zurückgehen. «
    » Zu Tonja Westenhagen? «, fragte ich.
    » Nicht nur zu ihr, sondern auch zu Flora Masberg. « Er gab Felicitas Kluge ein Zeichen fortzufahren.
    » Um den Zeitraum herum, der für unsere Ermittlungen en t scheidend ist, hatten Professor Kogler und Flora Masberg ein Verhältnis. So wie es aussieht, hatte er damals eine Wohnung gemietet, die den Treffen mit seinen Freundinnen vorbehalten war. « Sie fuhr mit den Händen über die Unterlagen vor ihr. » An dem Abend vor Tonja Westenhagens Tod waren er und Frau Masberg auf dem Weg zu dieser
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