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Idol

Idol

Titel: Idol
Autoren: R Merle
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Gesicht. »Das weiß ich schon lange: Frauen sind wie Kraken! Nichts
     als Saugnäpfe und Fangarme! Vittoria macht da keine Ausnahme!«
    Tarquinia schwieg, öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und ließ Marcello und mich eintreten. Dann schob sie den Riegel vor, drehte
     sich zu Marcello um, richtete ihre kalten blauen Augen auf ihn und sagte mit perfider Sanftheit:
    »Wie eigenartig, Marcello! Ich hätte gedacht, Vittoria sei eine Ausnahme und es gäbe in deinem Herzen aus Stein ein wenig
     Raum für sie.«
    »Das Herz aus Stein habe ich von meiner Frau Mutter geerbt!« parierte Marcello mit einem wütenden Blick. »Denn offensichtlich
     vermochte der Tod des unglücklichen Mannes, der für Euch in Gubbio Blut und Wasser geschwitzt hat, Euren schönen klaren Augen
     nicht die kleinste Träne zu entlocken.«
    »Sowenig wie den deinen!«
    »Mutter, Mutter!« rief ich da (ich mußte Tarquinia wider meinen Willen so nennen, da mich Onkel Bernardo adoptiert hatte).
     »Verzeiht mir, doch wenn Ihr Euch nur streitet, ist meine Anwesenheit hier nicht vonnöten.«
    »Du hast recht, Giulietta«, sagte Tarquinia und blickte mich verächtlich an, obwohl sie mir zustimmte, »du bist die einzige, |23| die hier noch gesunden Menschenverstand hat. Marcello, wenn du mir etwas zu sagen hast, dann tu das!«
    Marcello pflanzte sich, Hände in die Hüften gestemmt, vor dem Fenster auf, vielleicht um sein Gesicht im Gegenlicht zu halten,
     damit man nicht so leicht darin lesen könne, vielleicht auch weil er – als geborener Schauspieler wußte er sich in Szene zu
     setzen – seine Silhouette vor dem rechteckigen Fenster vorteilhaft zur Geltung bringen wollte.
    »Ich möchte darauf hinweisen«, begann er, »daß mein Rat uneigennützig ist. Da ich Euch, Mutter, auch nicht den Schatten der
     kleinsten Münze koste, bin ich von dem uns bedrohenden Ruin nicht betroffen.«
    »Was beweist«, entgegnete Tarquinia verächtlich, »daß die Saugnäpfe und Fangarme der Margherita Sorghini wenigstens
ein
Gutes haben: sie ernähren und kleiden dich.«
    »In der Tat«, erwiderte Marcello. »Und nachdem Ihr jetzt Euer Gift gegen die Dame verspritzt habt, deren Freund ich bin …«
    »Ein teurer Freund«, sagte Tarquinia.
    »… kann ich fortfahren. Hier also mein Rat. Unsere Manufaktur in Gubbio muß so schnell und so vorteilhaft wie möglich verkauft
     werden. Damit könnt Ihr Eure Schulden abzahlen.«
    »Nur zum Teil«, meinte Tarquinia.
    »Mag sein. Das müßt Ihr am besten wissen. Zum anderen muß Vittoria so schnell und so gut wie irgend möglich verheiratet werden.«
    »Glaubst du, daß ich deinen Rat brauche, um zu diesem Schluß zu kommen?«
    »Dann habt Ihr sicher ein paar schöne Bewerber im Hintergrund«, erwiderte Marcello und verzog spöttisch die Lippen.
    »Deutlich erklärt hat sich nur einer: Francesco Peretti«, seufzte Tarquinia.
    »Peretti! dieses klägliche Subjekt, Jesus Maria! Kleiner Adel, kleines Vermögen, kleiner Geist!«
    »Aber er ist der Neffe eines Kardinals, der ihn adoptiert und ihm seinen Namen gegeben hat. Montalto betrachtet ihn als seinen
     Sohn und wird ihn zu seinem Erben machen.«
    »Wirklich ein schönes Erbe!« rief Marcello und hob die Hände. »Der Kardinal lebt im ärmlichsten Palast von ganz |24| Rom, fährt in einer erbärmlichen Kutsche, und seine Pferde, die er nicht besser füttert als sich selbst, sind dürre Klepper,
     die nur von der Deichsel gehalten werden. Obendrein hat Montalto in seiner lächerlichen Tugendhaftigkeit die Pension von Philipp
     II. ausgeschlagen. Ein schöner Kardinal! und ein schöner Erbe!«
    »Ich weiß, ich weiß.« Tarquinia zog die Brauen zusammen. »Aber was kann ich dafür? Ich hatte nicht die Zeit, etwas Besseres
     zu finden.«
    »Bernardo ist also zu früh gestorben?« sagte Marcello mit versteckter Ironie und verschränkte theatralisch die Arme vor der
     Brust.
    Tarquinia bemerkte weder das Theater noch die Ironie. Ebensowenig hatte sie die Taktlosigkeit ihrer eigenen Bemerkung wahrgenommen.
     Ich dagegen war sprachlos über die zynischen Worte von Mutter und Sohn. Es entging mir allerdings nicht, daß Marcello, ganz
     der
bravaccio
, der er sein wollte, von den beiden Teufeln der subtilere und empfindlichere war.
    »Na gut, und wie denkst du darüber, Giulietta?« fragte Tarquinia herablassend.
    Ihr Hochmut galt meiner Situation als Adoptivnichte ohne Vermögen, aber auch meiner geringen Körpergröße und der Tatsache,
     daß mein bißchen Anmut mit der majestätischen
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