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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen
Autoren: Lara Cardella
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aus freien Stücken, zugegeben, sondern weil er mir eines Tages durchs Schlüsselloch nachspioniert hatte und mich auf diese Weise pinkeln sah. Ich konnte keine glaubwürdige Ausrede finden und mußte Farbe bekennen.
Angelo nahm die Nachricht, wie vorauszusehen, mit Gelächter auf, aber als er sah, daß es mir ernst war, beschloß er, mein Ausbilder zu werden. Er nahm mich immer mit, wohin er auch ging, sogar aufs Klo, und wir gewöhnten uns daran, gemeinsam zu pinkeln. Er brachte mir bei, wie man, selbst bei geschlossenen Augen, Steine wirft und Büchsen trifft; wie man spuckt, mit zusammengebissenen Zähnen und dem Gesicht nach oben, daß die Spucke in einem Bogen runterkommt; wie man Frösche zerlegt und Mausefallen baut; wie man die Tomaten von 'zza Vicinzinu , Onkel Vincenzini, klaut und den Wachhunden dabei ein Schnippchen schlägt; den Gang eines masculu , eines Jungen, und den Händedruck eines ominu , eines Mannes.
Dann ließ er mich die Pornoheftchen seines Vaters anschauen, und das war wirklich etwas Besonderes für mich; denn wenn ich, bei meinen Nonnenanwandlungen, im Biologiebuch die Abbildung eines nackten Mannes sah, bedeckte ich sie sofort mit einem Heft oder mit einem anderen Buch, gewiß nicht mit der Hand. Die Bildergeschichte hatte den Titel »Schneewittchen und die sieben Zwerge«. Das überraschte mich ein wenig, denn ich verstand den Bezug zur Märchenwelt nicht. Verwundert blieb ich auf Seite fünf hängen, als ich das süße Schneewittchen auf allen vieren sah, das Kleid hochgeschoben und mit nacktem Hintern, und bei ihr der edle Jäger mit runtergelassenen Hosen und einem seltsamen Ding zwischen den Beinen. Ich schaute Angelo zwischen die Beine und dann in die Augen ..., er lachte.
» Ma unnu sapivi che semmu accussì? Hast du nicht gewußt, daß wir so gebaut sind?«
Na ja, ich hatte immer gesehen, daß sich die Jungen zwischen den Beinen kratzen, aber ich wußte nicht genau, warum. Außerdem drehte sich Angelo, wenn wir zusammen pinkelten, immer zur anderen Seite und zeigte mir nur seinen Rücken oder höchstens sein Hinterteil.
Meine Lehrzeit hatte gerade zwei Monate gedauert: zwei Monate voller Hoffnungen und Illusionen, bis ich schließlich merkte, daß alles vergeblich war, daß ich nie il coso , das Ding, besitzen würde, daß ich nie ein masculu werden und nie Hosen tragen würde.
So kehrte ich zurück zu meinem vorbestimmten Leben als weibliches Wesen, als fimmina , ich entfernte mich von Angelo, lebte unglücklich und unzufrieden in meinem langen blau-en Plisseerock.
Zu Hause waren meine Verfehlungen inzwischen vergessen, das Leben wieder normal geworden: Meine Mutter schmiß mir Schuhe nach, weil ich ihr nicht bei der Hausarbeit half, mein Vater schmiß mir Schuhe nach, weil ich ihm sein weißes Hemd ruiniert hatte, und mein Bruder schmiß mir Schuhe nach, weil ich ihm sein Rasierzeug kaputtgemacht hatte.
Ein wenig Frieden kehrte ein, als mein Bruder nach Deutschland aufbrach, um Arbeit zu suchen, nicht daß er mich vorher bedrängt hätte, aber seit er weg war, hatte ich etwas mehr Luft zum Atmen.
In Deutschland blieb mein Bruder volle sieben Jahre lang: Dort lernte er seine Freundin kennen, dort heirateten sie und bekamen ihre drei Kinder, eins nach dem anderen. Meine Eltern hatten auf seine finanzielle Unterstützung gehofft, aber mein Bruder ließ erst nach vier Monaten von sich hören und zwar, um um Geld zu bitten, und dann alle zwei, drei Monate wieder, jeweils mit einem kurzen Brief, in dem er sagte, das Geld reiche nicht und er müsse ja von etwas leben. Dann, wie gesagt, heiratete er und benachrichtigte uns zwei Monate später; ebenso bei meinen drei Neffen. Nach den sieben Jahren kehrte er schließlich nach Hause zurück. Damit wir seine Familie kennenlernen, sagte er, aber Tatsache ist, daß er jetzt noch immer bei meinen Eltern wohnt und keine Arbeit gefunden hat.
Als er ankam, sah alles aus wie in einem amerikanischen Film: Gut fünf Minuten lang hupte er vor unserem Haus, und als ich mich hinausbeugte, um nachzuschauen, sah ich die Schnauze eines Flugzeugträgers, der vor unserer Tür parkte, er ließ einen Arm aus dem Fenster baumeln. Mein Bruder brachte Bonbons für alle und von jeder Sorte mit; mir schmeckten vor allem die gummiartigen mit CocaCola-Geschmack.
Kaum hatte er die Wohnung betreten, wurde Antonio von den Gefühlsergüssen meiner Mutter überschüttet, die sich offenbar nicht sattsehen konnte an ihm und ihn vor lauter Küssen und Umarmungen hätte
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