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Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)

Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)

Titel: Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
Autoren: Anne B. Ragde
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unbegreiflich. Zu gern hätte sie daran auch nur einen einzigen versöhnlichen Zug gefunden, hätte gern einen einzigen Ton oder eine Strophe gemocht und verstanden. Aber sie sangen auf Englisch, und Englisch konnte sie nicht.
    Als er eines Tages in der Schule gewesen war, hatte sie sich die Hüllen seiner Singles und Langspielplatten genau angesehen. Es war eine unbekannte Welt, diese Welt, die ihm so wichtig war und die ihn ihr so fremd machte. Jedes einzelne Bild auf den Plattenhüllen zeigte ungepflegte Typen, die wütend und unzufrieden aussahen. Und sie gaben sich so seltsame Namen: »Rollende Steine« und »Käfer« und »Tiere«. Warum wollte wohl irgendwer als Tier erscheinen? Barbara, die gleich gegenüber wohnte, war Engländerin und hatte ihr einmal erzählt, was diese Namen bedeuteten, und Animals bedeutete »Tiere«. Jim Reeves sang unter dem Namen Jim Reeves, so wie Kirsti Sparboe und Sven-Ingvars ihre Namen behielten. Niemals würden die sich »Käfer« oder »rollende Steine« nennen. Diese Vorstellung war so albern, dass sie darüber nicht einmal lachen konnte. Sie wünschte sich so sehr, die Uhr einige Jahre zurückstellen, ihn noch einmal auf den Schoß nehmen und seine warme Wange an ihrer beschnuppern zu können.
    Jetzt kam es ihr vor, als seien sie plötzlich eines Morgens aufgestanden und ihr Sohn sei ein anderer gewesen, mit ausweichendem Blick, Pickeln, verschlossener Badezimmertür. Großer Gott, er war doch erst vierzehn, noch nicht einmal konfirmiert! Er hatte jetzt auch einen Kamm in der Hosentasche, und dabei musste man ihn früher noch in letzter Sekunde, ehe er zur Schule verschwunden war, mit zerzausten Haaren von der Türmatte zurückreißen. Und neulich erst hatte er Familie Feuerstein , ihre Lieblingssendung, »kindisch« genannt, obwohl sie
das doch immer alle drei zusammen sahen und über die Füße von Fred Feuerstein lachten, wenn die sich wie Trommelstöcke unter dem Auto bewegten. Und der Schluss, er liebte den Schluss, der immer gleich war, mit der Milchflasche, die vor die Tür gestellt wurde, und dem kleinen Dinosaurier, der nach draußen wollte, vermutlich zum Pinkeln, und Fred rannte hin und her und wurde dann selbst ausgesperrt und hämmerte gegen die Tür, so dass die ganze Stadt geweckt wurde. Das war also plötzlich »kindisch« geworden, obwohl seine beiden durchaus erwachsenen Eltern es lustig fanden.
    Es machte sie auch nicht ruhiger oder klüger, wenn sie in Illustrierten über die Jugend las, zum Beispiel in den Leserbriefen in Peter Penns »Jetzt mal ehrlich«-Kolumne. Jede Mutter, die dorthin schrieb, war ebenso entsetzt wie sie selbst, und Peter Penn gab ihnen Recht darin, dass die Jugend das Leben und die Zukunft viel zu eingeschränkt sah. Eine Mutter hatte über ihre fünfzehn Jahre alte Tochter geschrieben, die behauptete, die Beatles seien das Einzige auf der Welt, das zähle! Leute, die sich »Käfer« nannten, waren also das einzig Wertvolle im Leben dieses Mädchens.

    Sie tunkte die glühende Spitze der Zigarette ins Wasser und warf die Kippe in den Mülleimer unter der Spüle. Sie würde den Treppenabsatz putzen, während das schmutzige Geschirr einweichte. Im Radio lief »Ich bin so verschossen«, weiter von Rickards Musikgeschmack konnte man sich wohl kaum entfernen. Trotzdem hatte sie dieses Lied satt, sie spielten es so oft und fast jede Woche im Wunschkonzert. Sie wartete immer auf Jim Reeves, dann drehte sie das Radio lauter. Rickard sagte, sie solle sich eine Single oder Langspielplatte von ihm kaufen. Dann würde er ihr erklären, wie der Plattenspieler funktionierte, und sie könnte Jim Reeves hören, während er in der Schule war. Das
war so nett von ihm, vielleicht war er für sie doch nicht ganz verloren. Aber er wollte ja niemals solche Musik hören, echte Musik.
    »Owe, können wir mit dem Kaffee warten, bis ich mit der Treppe fertig bin?«
    »Wenn ich nur die Nachrichten sehen kann! Vierzehnhundert amerikanische Soldaten sind heute in Vietnam gelandet. Was gibt es sonst zum Kaffee?«
    »Was möchtest du?«
    »Etwas Leckeres.«
    »Süßes also, scheint mir.«
    »Dann scheint es dir richtig. Aber hat diese Kuh aus dem Erdgeschoss dir das nicht schon abgenommen? Hast du das nicht vorhin gesagt?«
    Sie freute sich, weil er sie Kuh nannte. Owe gehörte zum Glück nicht zu den Männern im Haus, die nach Frau Åsen fast ebenso lechzten wie nach Peggy-Anita Foss. Aber das konnte ja daran liegen, dass er die Nase nie weit genug aus seinen
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