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Ich träume deutsch

Ich träume deutsch

Titel: Ich träume deutsch
Autoren: Nilgün Tasman
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einmal mit Paola und Giuseppe ins Freibad gehen.
    Ugur, ein sehr netter Junge, den wir von der türkischen Schule her kannten, setzte sich zu uns, und wir aßen gemeinsam ein Eis. Er erzählte von seiner kleinen Schwester, die schon längere Zeit an Keuchhusten litt, weshalb er auch zwei Wochen nicht hatte in die Schule gehen dürfen. Ablam und ich hatten nichts getan, was unserem „Namus“ geschadet hätte. Wir hatten nur ein Eis mit Ugur gegessen.
    Ein paar Tage später kam Babam nach Hause und ohne ein Wort zu sagen, schlug er auf meine Schwester ein. Ich ging dazwischen und versuchte, meine Schwester zu beschützen.
    „Baba, sie hat doch nichts getan, hör auf, bitte hör auf!“, schrie ich. Aber Baba war blind vor Wut.
    Mine lag fast bewusstlos auf dem Boden und ich saß neben ihr und weinte. Dann mussten wir berichten, was im Freibad geschehen war. Aber obwohl wir alles ganz genau erzählten, glaubte uns Baba kein Wort. Er schrie und war so wütend, dass er den Fernseher gegen die Wand schleuderte. |155| „Wollt ihr Schlampen werden oder wollt ihr, dass ich mich umbringe?“
    Baba schrie und schlug wieder alles zusammen. Der Sohn eines Freundes von ihm, der auch im Freibad gewesen war, hatte uns mit Ugur gesehen. Er hatte erzählt, dass Mine und Ugur auf dem gleichen Handtuch gesessen hätten. Der Mann fragte Baba, ob das etwas Ernstes sei zwischen meiner Schwester und Ugur. Wenn nicht, solle er besser auf seine Töchter aufpassen.
    Ich nahm den Koran und legte meine rechte Hand darauf. Ich schwor, dass wir ganz lieb gewesen waren und dass Mine nichts getan hatte. Bevor mein Vater die Tür hinter sich zuknallte, sagte er, dass er uns umbringen würde, wenn wir auch nur einen weiteren Fehler machen würden. Dann verschwand er im Wohnzimmer.
    Mine lag im Flur auf dem Boden und weinte.
    „Ich werde abhauen, ich gehe weg von hier, ich habe die Schnauze voll“, schrie sie und ging auf die Toilette. Ich wusste, dass Ablam schon länger rauchte, obwohl Anne es ihr verboten hatte. Ich presste mein Ohr an die Toilettentür und hörte das Schluchzen meiner Schwester.
    Mein Vater stand im Wohnzimmer und sah aus dem Fenster. Er zog ganz fest an seiner Zigarette.
    „Allah hilf mir, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich weiß nicht mehr was richtig und was falsch ist“, flüsterte er.
    Baba war verzweifelt. Seine Augen waren ängstlich und sein Herz traurig.

|156|
Plötzlich eine Frau
    Das Erwachsenwerden geht bei uns Türken schneller, als eine Bestellung aus dem „Otto Katalog“ aufzugeben. Es ist zwar unglaublich, aber ich wurde innerhalb von zwei Minuten eine Frau. Das meinte zumindest mein Vater, als er mir wieder einmal zusah, als ich einen Kopfstand machte. Der Rock hing mir über dem Kopf und ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Da riss mein Vater mich an den Beinen runter und schrie mich an, ich sei kein Kind mehr und solle mich gefälligst wie eine junge Frau benehmen, schließlich sei ich schon dreizehn Jahre alt. Ich war erstaunt über seine Worte.
    „Baba, bin ich jetzt plötzlich eine Frau geworden, oder hast du nur schlechte Laune?“
    „Sieh dich doch an und benimm dich dann auch so, wie du aussiehst!“, schrie er und warf die Tür hinter sich zu.
    Ich ging ins Schlafzimmer und stellte mich vor den Spiegel. Tekir jagte ich ins Wohnzimmer, denn ich hatte mein T-Shirt ausgezogen und Tekir war ja ein Mann, der mich nicht nackt sehen durfte.
    Ich hatte meine Schwester wegen ihrer Brüste und ihres fraulichen Körpers immer bewundert.
    Endlich sah man bei mir auch eine kleine Wölbung, die ganz nach Brüsten aussah. Aber das war ja nicht beim „Kopfstand machen“ passiert.
    Diese kleinen Wölbungen hatte ich schon seit einigen Monaten und ich war eigentlich ganz stolz darauf. Ich sah in dem Spiegel keine Frau, sondern mich, so wie ich immer war.
    Aber anscheinend war ich nun doch eine Frau. Mein Vater musste es ja schließlich wissen! Stolz begutachtete |157| ich meinen Körper und drehte mich in alle Richtungen. Ich nahm die hohen Schuhe von Anne aus dem Schrank und stolzierte durch die Wohnung.
    Ich war dreizehn Jahre alt und schon eine Frau! Plötzlich kam meine Schwester ins Schlafzimmer und verdrehte die Augen. Ich ging mit meinen hohen Schuhen auf sie zu und sagte, dass ich jetzt auch eine Frau sei, und dass es sogar unserem Vater aufgefallen wäre.
    „Ich wünschte, ich wäre keine Frau“, sagte Mine tonlos und warf ihre Schultasche in die Ecke.
    „Du bist ja nur
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