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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
Autoren: Sally Koslow
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zwei Drittel der Anzahlung lieh – erklärte SoHo und Tribeca zu Sodom und Gomorrha, die Lower East Side zu Sibirien und den gesamten Stadtteil Brooklyn zum Junkie-Paradies, obwohl dort die Immobilienpreise längst explodiert waren. Weswegen wir schließlich im reichen Uptown New York landeten. Barry wollte am liebsten an die East Side, in die Nähe der Mädchenschulen, wie er sagte. Ich hatte den Verdacht, dass eher seine Mutter den Ausschlag gab, die Ecke Park Avenue und 76.   Straße wohnte. Ziemlich gereizt erwiderte ich, dass ich für eine solche Gegend wohl nie alt genug sein würde, auch wenn ich wie jede Frau gern mal vor den Schaufenstern in der Madison Avenue stehen blieb. Wenn wir schon in Uptown wohnen mussten, dann sah ich mich am Riverside Drive, das für mich – nach Greenwich Village – das Britischste ist, was Manhattan zu bieten hat.
    Wir einigten uns auf die Central Park West, die an der Westseite des Parks entlangführte, und zogen in eins jener Gebäude, wo jeder Bewohner mittwochs die ›New York Review of Books‹ geliefert bekommt. Ich versuchte, Barry zu überreden, das Ganze als eine neoviktorianische Phantasie einzurichten, weil ich mich in eine Farbnuance namens Distelblau verliebt hatte, in Tapeten mit Damastmuster und in einen etwas unheimlichen, ausgestopften Pfau, der in einer beinahe zwei Meter hohen schmiedeeisernen Voliere hockte. Es war eine Sechszimmerwohnung mit zwei großen Schlafzimmern sowie einer winzigen Kammer neben derKüche, in der unser Kindermädchen Delfina schlief. Ich wollte alles mit verschlissenen türkischen Teppichen, ledergebundenen Jane-Austen-Ausgaben und abgewetzten Fußschemeln ausstaffieren. Und dazu vielleicht noch einen englischen Cockerspaniel anschaffen, den ich Camilla nennen würde. Ich sehnte mich danach, durch die Eingangstür zu treten und das 21.   Jahrhundert hinter mir zu lassen, und erzählte Barry von meinen Ideen.
    »Und wo stelle ich den Flachbildfernseher hin?«, fragte er. »Molly, spinnst du? Für eine Wohnung, wie du sie da beschreibst, werde wohl
ich
nie alt genug sein. Ich spüre praktisch schon, wie mich bei all dem Staub mein Asthma überfällt.« Er sah mich mit diesem milden Blick an, den man etwas durchgedrehten, aber dennoch geliebten Menschen zuwirft, und zog mich an sich. »Das müssen die Schwangerschaftshormone sein. Ist schon okay, Schatz.«
    Ich stieß ihn weg, rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu, dass auch gleich all meine Ideen in tausend Scherben zersprangen wie Porzellan, das eine Treppe hinuntergeworfen wird. Stimmt, ich konnte ziemliche Szenen machen.
    Dann verhandelten wir erneut. Was beim Einrichten und Dekorieren wie überall sonst bedeutet, dass keiner bekommt, was er will. Unsere geräumige Küche sieht aus wie direkt aus dem provinziellen Eldorado der Neureichen importiert mit ihren polierten weißen Schleiflackschränken, Glasfronten und Edelstahlgriffen, auch wenn nichts als gewöhnliche blau-weiße Teller und Schalen drinstehen. Die Arbeitsplatten sind aus cremefarbenem Marmor, der sofort Rotweinflecke bekam. Zu Kittys Entsetzen strich ich den alten Holzfußboden leuchtend kobaltblau an, wie das Meer in ›Die kleine Seejungfrau‹. Als sie es sah, sagte sie nur: »Lass doch mal meinen Inneneinrichter kommen«, in einem Ton, der von einer für ihre Verhältnisse bemerkenswerten Beherrschung zeugte. »Auf meine Kosten natürlich, meine Liebe«, fügte sie noch hinzu, was insgesamt übersetzt so viel hieß wie: »Du hast wirklich überhaupt keinen Geschmack, du arme Irre.«
    »Ich bin selbst Redakteurin für Inneneinrichtung, Kitty«, riefich ihr ins Gedächtnis. Doch das hatte meine Schwiegermutter noch nie beeindruckt.
    Abgesehen von Barrys Hanteln, über die ich nachts auf dem Weg ins Badezimmer immer gestolpert bin, mag ich unser Schlafzimmer mit dem zierlichen alten Sekretär und den nicht weniger als fünf verschiedenen Blumenmustern in gedeckten Farben – alles antike Stoffe, die ich mal bei einem Fotoshooting in einem Laden in der Portobello Road in London entdeckt habe. Annabels Zimmer ist kükengelb gestrichen, und ein mit grünem Samt gepolsterter Schaukelstuhl steht in der Ecke beim Bücherregal, in dem ›Eloise im Hotel Plaza‹, ›Der geheime Garten‹ in der alten Ausgabe meiner Mutter und alle anderen Kinderbücher aufgereiht sind, die ein kleines Mädchen kennen sollte, ehe es zum ersten Mal eine Zeichentrickserie ansieht. Ansonsten ist die Wohnung nur sparsam
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