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Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Titel: Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
Autoren: Heyne
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eine Diät verkaufen.
    »Neustart, was sonst?«, sagt das Zweite Ich wieder voller Zuversicht. »Aber diesmal unter besseren Bedingungen. Da müssen einfach die Eckdaten stimmen.«
     
    Zweites Ich: »Wir brauchen mehr Zeit, Ruhe, eine andere Umgebung, weniger Stress, mehr Geld, mehr Lust, einen neuen Job, eine größere Wohnung, vielleicht einen besseren Partner, endlich einen eigenen Coach und einen Koch gleich dazu, ein effektiveres Programm. Mal sehen, was die Zeitschriften nächste Woche anbieten.«
     
    Solche Gedanken sind übrigens weit verbreitet. Sie sind Symptome, die auf eine klassische Diätkrankheit hin deuten, die von den Betroffenen selten in vollem Ausmaß wahrgenommen wird. Es handelt sich dabei um die chronische Verschieberitis. Die ist ansteckend, hartnäckig und nur schwer zu therapieren.

2. Verschieberitis: »Morgen, morgen, nur nicht heute …«
    Die Angst vor dem Start ist eine Plage, die uns immer befällt, wenn nach hinten noch Luft ist – von Alibisuche und Opfergeschichten
     
    Der Wunsch nach verbesserten Körperstrukturen stellt sich pünktlich zum Neujahrstag ein. Oder nach Geburtstagsfeiern. Oder nach Schockerlebnissen. Das können Arztbesuche sein. Oder Stippvisiten in fies halogenbestrahlten Umkleidekabinen mit unentrinnbaren Rückspiegeln.
    Soll dem Wunsch nach Veränderungen die Umsetzung folgen, tritt gemeinhin die Verschieberitis auf. Die kennen wir alle. Sie zeigt sich umso stärker, je mehr nach hinten noch Luft ist. So hindert sie uns zum Beispiel vom ersten Januar bis zum neunundzwanzigsten Mai an der Steuererklärung. Oder am Kelleraufräumen rund um die Uhr und jahrelang. Klar, da könnte mal was getan werden: wegschmeißen, umschichten, zumindest eine Schneise ins Chaos schlagen. Aber warum denn gerade jetzt? Ob wir’s an diesem Wochenende machen, am ersten Weihnachtstag oder vorm Sommerurlaub, spielt doch nun wirklich keine Rolle, oder?
    Unter Selbstverbesserern grassiert die Verschieberitis, wen wundert’s, auch in der Vorbereitungsphase zur nächsten Diät. Also ziemlich oft. Aber diesmal soll es ja gelingen, also rücken wir der Plage mit dem Mikroskop zu Leibe.
     
    Was tun wir eigentlich, wenn etwas gelingen soll? Richtig: Wir planen. Und zwar ordentlich, das lernt man ja schließlich in jedem Management-Seminar. »Visionen brauchen Vereinbarungen«, »Keine Spiele ohne Ziele«. Herrlich, wenn uns bei unserem Vorhaben ein Plan zum Ankreuzen oder (leider etwas schwieriger) zum Selbstausfüllen unterstützt: »Ich möchte in den nächsten acht Wochen erreichen, dass ...« Kreuzchen, Kreuzchen, Kreuzchen. Wir brauchen nur ein Startdatum eintragen (»das ist jetzt verbindlich«), den Zettel beim Seminarleiter abgeben und die Kopie mitnehmen – die wir dann an den Badezimmerspiegel heften, damit sie uns immer schön streng anguckt.
    »Heute ein Glas Wasser trinken, wenn der Heißhunger kommt«, das könnte da stehen – und auch eingehalten werden, oder? Mein Managerfreund Markus wollte so einen Plan mal durchziehen. Hat er auch
geschafft. Zumindest so lange, bis der Hunger kam. Und dann lief er – statt zum Wasserglas doch lieber zur nächsten Schokoladentafel, die er leider, leider nicht rechtzeitig außer Reichweite gebracht hatte. Ein verstohlener Blick nach links, ein Blick nach rechts – guckt auch keiner? Und dann: Runter damit! Postwendend setzte das schlechte Gewissen ein.
    Das biss den armen Markus, tat ihm weh und hörte nicht wieder auf, bis ein Engel sich erbarmte. Da war es wieder, das komische Zweite Ich. Wie immer zum Beistand bereit, dozierte es nicht wie ein Oberlehrer, sondern säuselte mit Schmeichelstimme. Seine Worte waren wie Balsam, eine Glücksdroge gegen deprimierende Momente.
     
    Zweites Ich: »Ist doch nicht so schlimm. Schäm dich nicht. Du kannst ja auch morgen noch mit deiner Diät anfangen.«
     
    So ein Engelchen kann zwar nicht vergeben (was passiert ist, ist passiert), doch es hilft beim Verschieben.
     
    Markus fühlte sich gleich wohler. Beruhigende Gedanken kamen auf:
     
    »Hmm … bin ich jetzt also doch kein Versager? Mal sehen: Es gibt ja gute Gründe für mein – äh, wie nennen wir das jetzt? Für mein etwas außerplanmäßiges Handeln. Der kleine Fehler mit der Schokolade hätte mir zwar nicht passieren dürfen, aber andererseits: Wieso hat mich eigentlich niemand gewarnt? Woher hätte ich wissen sollen, dass solche Gefahren bestehen? Bin ich unter diesen Umständen denn überhaupt schuldig?«
     
    Und schon sind wir
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