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Ich lebe lieber hier und jetzt

Ich lebe lieber hier und jetzt

Titel: Ich lebe lieber hier und jetzt
Autoren: Cecily von Ziegesar
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einer
unverständlichen Sprache standen. Finnisch vielleicht. So einen Mantel kann
nur ungestraft tragen, wer richtig berühmt ist. »Du weißt nicht zufällig, wer
die Leute sind, die hier wohnen, oder?«
    »Doch. Ich«, lallte Dan. »Sozusagen. Mit
meiner Freundin. Eigentlich gehört die Wohnung ihrer älteren Schwester. Aber
die ist zurzeit nicht da.« Von Tiphany sagte er nichts. Er stellte sich lieber
vor, sie würde gar nicht existieren. Plötzlich fiel ihm auf, dass er Tiphany
und Vanessa den ganzen Abend nicht gesehen hatte, und er überlegte mit
wodkaschwerem Schädel, wie lange so ein Piercing dauern konnte.
    Damian nickte nachdenklich.
»Hast du 'ne Ahnung, wer die Songtexte geschrieben hat? Die in den schwarzen
Notizbüchern im anderen Zimmer, meine ich.«
    Dan fragte sich, ob er
vielleicht ins Alkoholkoma gefallen war und diese ganze Unterhaltung bloß träumte.
»Das sind Gedichte«, stellte er klar und versuchte, die fröhlichen Gesänge der
Whiffenpoofs auszublenden, die nach wie vor seine Schwester anschmachteten. Ein
dürrer Großer mit Nickelbrille und eine kleine Frau mit rotblonden Haaren
schoben sich tangotanzend durch den Raum. »Meine Gedichte.« Er versuchte, sich
von der Wand zu lösen, knickte aber ein und rutschte zu Boden. Wenn er nicht
bald hier wegkam, würde er sich noch in die Hose pissen.
    Damian raffte den Mantel hinter
seinem Rücken zusammen und hockte sich vor Dan hin. »Wenn ichs dir doch sage,
das sind Songtexte.«
    Dan starrte mit glasigem Blick
die berühmte zehn Zentimeter lange Narbe quer über Damians berühmter Stirn an.
Sie stammte angeblich von einem Unfall mit einem BMX-Rad. Hatte er vielleicht
einen Hirnschaden? »Gedichte sind das«, stieß Dan hervor. »Die sind von mir.
Das sind Gedichte.«
    »Songtexte. Songs, Songs,
Songs.« Damian streckte ihm die Hand hin und zog ihn auf die Beine. »Komm mit.
Ich beweis es dir.«
    Dan stolperte hinter ihm her,
rempelte Leute an und lallte Entschuldigungen.
    »Hey, wann spielt ihr weiter?«,
rief jemand.
    »Wart's ab, Arschloch.« Damian
zeigte ihm den Finger.
    Vanessas Zimmer war so gepackt
voll wie das Wohnzimmer. Die anderen Raves fläzten auf dem Bett und blätterten
in Dans Notizbüchern.
    »Hey, hast du den hier schon
gesehen - schlampen?« Der
Bassist wedelte mit einem Notizbuch. »Das ist das perfekte angepisste
Liebeslied. Das würde super in den Mittelteil des Sets passen. Am besten nach
dem witzigen hier - pupser töten.«
    Dan starrte ihn an. Er hielt es
nach wie vor für wahrscheinlich, dass er bloß träumte oder tot war. Vielleicht
war einer von Tiphanys bulligen Bauarbeiterfreunden versehentlich auf ihn
draufgetreten.
    Damian schubste ihn in Richtung
Bett. »Ich hab den Mann gefunden, der die Songs geschrieben hat. So wie er
aussieht, können wir ihn sogar zum Frontmann machen.«
    Dan stand schwankend da. Frontmann?
    »Kann der denn singen?« Der
Drummer musterte Dan kritisch und zupfte an seinem fies aussehenden Schnurr- bärtchen.
Die Raves pflegten einen sehr eigenen Stil. Cooler großer Bruder trifft
Serienmörder.
    Singen?
    Damian schlug Dan auf die
Schulter. »Hey, kannst es doch mal versuchen. Sind ja immerhin deine Songs.
Sing einfach, wie du willst. Wir spielen ziemlich laut, da musst du sowieso
mehr schreien als singen.« Er schlug ihm noch einmal auf die Schulter.
»Hauptsache, es hört sich irgendwie cool an, alles klar?«
    »Klar.«
    Dan trottete der Band hinterher
ins Wohnzimmer und hatte das Gefühl, eine Marionette in den Händen eines
wahnsinnigen Puppenspielers mit sehr krankem Humor zu sein. Wenn das so
weiterging, würde er sich bald noch das T-Shirt vom Leib reißen.
    Hey, warum auch nicht? Immerhin
ist er jetzt Frontmann.
    Der Drummer schlug ein paar Mal
aufs Schlagzeug und im Raum breitete sich erwartungsvolle Stille aus. »Zuerst
spielen wir pupser töten, einverstanden?«, rief er Dan zu.
    Dan nickte. Er konnte sich zwar
kaum mehr an sein Gedicht erinnern, war aber so strunzbesoffen, dass er wahrscheinlich
sowieso kein klares Wort rausbringen würde.
    Die Raves spielten einen
rhythmisch wummernden Stakkatobeat mit sanft wogender Bassline. Perfekt für das
Gedicht, den Song oder wie auch immer man es nennen wollte.
    »Hast du Hunger? Ich hab dir was gerichtet! Stirb, Pupser, stirb!«, röhrte
Dan ins Mikro. »Bist du müde? Ich schläfere dich ein! Stirb, Pupser, stirb!«
    »Stirb, Pupser!«, säuselten die Whiffenpoofs mit
ihren schmelzenden Stimmen im Hintergrund.
    Das Zimmer füllte
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