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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII.
Autoren: Margaret George
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enthauptet, weil er katholisch war (obgleich die Katholiken dem Volk dies gern einreden möchten, was ihnen auch fast schon gelungen ist), sondern weil er den Eid verweigerte. Der Rest seines Haushalts hat ihn geleistet. Aber More sehnte sich geradezu nach Märtyrertum und unternahm … heroische? … Anstrengungen, es zu erlangen. Er zwang den König buchstäblich dazu, ihn zu töten. Und bekam auf diese Weise die so genannte »Himmelskrone«, nach der es ihn gelüstete, wie es den alten Harry nach Anne Boleyn gelüstet hatte. Harry fand den Gegenstand seiner Gelüste dann weniger genießbar, als er es sich gedacht hatte; hoffen wir, dass More nicht eine ähnliche Enttäuschung widerfuhr, als ihm sein Verlangen erfüllt worden war.
    Ich vergaß. Ich darf solche Spaße bei Euch nicht machen. Ihr glaubt ja ebenfalls an jenen Ort. Gläubige sind alle gleich. Sie suchen – wie war Mores Buch gleich betitelt? – Utopia. Das bedeutet »Nirgendwo«, wisst Ihr.
    Wie gesagt, ich führe hier ein stilles Leben im Haushalt meiner Schwester in Kent, zusammen mit meiner Nichte und ihrem Gemahl. Sie haben ein kleines Häuschen, und Edward ist … ich zögere, es niederzuschreiben … Totengräber und Grabsteinmetz. Der Tod schafft ihm ein gutes Leben. (Wie mir Bemerkungen dieser Art.) Aber er pflegt seinen Garten, wie andere es auch tun (wir hatten wundervolle Rosen dieses Jahr), er spielt mit den Kindern, genießt seine Mahlzeiten. Nichts an ihm gemahnt auch nur im Mindesten an den Tod; aber vielleicht braucht man eine solche Natur, um diesen Beruf zu verkraften. Obgleich ich ja denke, dass das Dasein eines Narren in gleichem Maße mit dem Tod verbunden ist. Jedenfalls sorgt so einer für einen Duft, der den des Todes überdeckt.
    Ich kam vor Edwards Krönung hierher. Der Knaben-König und seine frommen Berater hatten keinen Bedarf an einem Narren, und so hätte ich herumgestanden wie ein loses Segel, das im Winde flattert. Königin Marias Hof ist aber auch nicht der Ort, an dem man Späße macht.
    Erinnert Ihr Euch noch, Catherine, an jenen Sommer, als Ihr und ich und Eure ganze Familie, die Boleyns, und der König zusammen in Hever waren? Euch und Euren Bruder Heinrich hatte man dort hingebracht, damit Ihr Eure Großeltern Boleyn besuchtet. Hever ist entzückend im Sommer. Es war immer so grün, so kühl. Und in den Gärten wuchsen wahrhaftig die besten Moschusrosen von ganz England. (Erinnert Ihr Euch zufällig noch, wie der Gärtner Eurer Großeltern hieß? Ich wohne jetzt nicht weit von Hever, und vielleicht könnte ich mir von ihm einen Rat holen … vorausgesetzt, er lebt noch.) Und von London aus war es ein bequemer Tagesritt. Wisst Ihr noch, wie der König immer oben auf dem Hügel stand, von dem aus man Hever zum ersten Mal sehen konnte, und in sein Jagdhorn stieß? Ihr pflegtet auf diesen Klang zu warten und ihm dann entgegenzulaufen. Und er brachte Euch immer etwas mit. Ihr wart das erste Boleyn-Enkelkind.
    Erinnert Ihr Euch an Euren Onkel George in diesem Sommer? Er gab sich solche Mühe, ein Ritter ohne Furcht und Tadel zu sein. Er übte das Umherreiten in der Rüstung, ritt Turniere gegen Bäume und verliebte sich in das schlampige Mädchen aus dem »Weißen Hirschen«. Sie schenkte ihre Gunst jedem, der diese Schänke besuchte – bis auf George, glaube ich. Sie wusste nämlich, dass dann der Strom der Sonette versiegen würde, in denen er ihre Reinheit und Schönheit in den höchsten Tönen pries, und über die sie so gern lachte.
    Eure Mutter Maria und ihr Mann waren natürlich ebenfalls da. Ich fand immer, Eure Mutter war Eurer Schwester Anne an Schönheit mehr als ebenbürtig. Aber ihre Schönheit war von anderer Art. Sie war wie Sonne und Honig; jene war wie die dunkle Seite des Mondes. Wir alle waren dort in jenem Sommer, bevor alles eine so schreckliche Wendung nahm. Die Flut ist wahrlich gekommen, und heute ragt jene kurze Zeitspanne wie ein tapferes Eiland über die schlammige, weite Fläche ringsum.
    Ich schweife ab. Nein, schlimmer: Ich werde romantisch und sentimental, etwas, das ich bei anderen verabscheue und mir selbst nicht durchgehen lassen werde. Nun also zurück zum Wichtigen: zu der Erbschaft. Sagt mir, wie ich sie unversehrt über den Kanal und in Eure Hände bringen kann. Sie ist leider von recht unhandlichem Format: zu groß, als dass ein Einzelner sie erfolgreich bei sich verbergen könnte, und zu klein, um sich selbst vor der Zerstörung zu schützen. Im Gegenteil, sie ist nur allzu
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