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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII.
Autoren: Margaret George
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verurteilt haben. More war ein bösartiger Gegner aller so genannten Abtrünnigen; wir halten sein Andenken nicht in Ehren. Sein Tod hat die Reihen unserer Verfolger um einen vermindert. Natürlich sind noch viele da, aber die Zeit ist unser Freund, und wir werden siegreich bleiben.
    Dies ist für Euch schwer zu verstehen, denn Ihr gehört zur »alten Ordnung«, und Vorsicht war stets Eure Parole. Aber wie sagte Gamaliel, der pharisäische Rechtsanwalt, angesichts der ersten Christenverfolgung? »Denn ist dieser Rat, dies Werk, von Menschenhand, so wird es zunichte werden; ist es aber von Gott, so könnt ihr es nicht stürzen, ihr möchtet sonst als Widersacher Gottes gefunden werden.« So steht es geschrieben im fünften Kapitel der Apostelgeschichte. Wenn Euch keine Übersetzung der Heiligen Schrift zugänglich ist (denn ich glaube, die Königin hat sie allesamt vernichten lassen), so kann ich dafür Sorge tragen, dass man Euch eine bringt. Ein vertrauter Freund hat sein Geschäft in London, und er sorgt dafür, dass wir dies und das bekommen. Mein Bote hier wird ihm Euren Namen nennen, und dann können wir unseren Austausch treiben. Ich glaube allerdings, dass die Erbschaft, als was sie sich auch immer erweisen mag, niemals so wertvoll sein kann wie die Schrift. Stets Eure Dienerin in Christo
    Catherine Carey Knollys
    Will Somers an Catherine Knollys:
    21. Juli 1557, Kent
    Süße Catherine:
    Eure Gebete müssen eine heilsame Wirkung gehabt haben, denn ich bin halbwegs genesen. Gott hat unser Zusammentreffen offenbar auf einen beiden Seiten genehmeren Zeitpunkt verschoben. Wie Ihr wisst, meide ich die Sprechzimmer der Ärzte wie die der Priester. In mehr als vierzig Jahren hat sich keiner an mir zu schaffen gemacht. Darauf führe ich zurück, dass ich noch lebe. Noch nie hat mich einer zur Ader gelassen, noch nie mich einer mit Salben aus zermahlenen Perlen bestrichen (wie Harry es so über die Maßen liebte), noch auch hätte es mich je gekümmert, welchen Ornat der derzeitige Hohepriester gerade trug. Ich will Euch nicht beleidigen, Catherine. Aber ich glaube an nichts, außer an das schnelle Vergehen aller Dinge. Auch die Religion hat ihre Moden. Gestern waren es fünf Messen täglich – ja, bei Harry war es üblich! – und Wallfahrten zu Unserer Lieben Frau von Walsingham; dann waren es Bibeln und Predigten; jetzt sind es wieder Messen, unter Hinzufügung von Scheiterhaufen allerdings, und als Nächstes – wer weiß? Betet Ihr nur immerzu zu diesem Genfer Gott, den Ihr nach Eurem Bilde erschaffen habt. Er ist vorläufig mächtig. Vielleicht gibt es ja etwas, das Bestand hat, über die jeweiligen Moden der Anbetung hinaus und jenseits von ihnen. Ich weiß es nicht. Meine Aufgabe war es immer – und immer nur –, die Blicke der Menschen abzulenken vom Wandel, vom Verlust, von der Auflösung – sie zu unterhalten, während hinter ihnen die Kulissen umgebaut wurden.
    Catherine: Schickt mir keine Heilige Schrift und auch keine Übersetzungen. Ich wünsche dergleichen nicht zu empfangen, und ich wünsche nicht damit in Verbindung gebracht zu werden. Ist Euch nicht klar, in welche Gefahr es mich brächte? Und das wegen nichts. Ich habe sie bereits gelesen (ja, ich musste es, damit ich in der Öffentlichkeit mit König Harry mein Geplänkel treiben und, wenn wir allein waren und Cranmer oder seine letzte Königin gerade nicht zur Verfügung standen, für sie einspringen konnte bei seinem liebsten Zeitvertreib: einer robusten theologischen Diskussion). Ich bin unbekehrt geblieben, und ich habe ein einzigartig geringes Interesse daran, mich bekehren zu lassen. Da es aber außergewöhnlich schwierig ist, diese Schriften einzuschmuggeln, mögt Ihr jemand anderem den Lohn solcher Mühen zuteil werden lassen.
    Ich will indessen mit Eurem Freund über den Transport Eures Erbes reden. Die Geheimniskrämerei muss ein Ende haben; ich will es Euch nun offen sagen. Es ist ein Tagebuch. Euer Vater hat es geschrieben. Es ist äußerst wertvoll, und es gibt viele, die es gern vernichten würden; sie wissen, dass es existiert, haben ihre Bemühungen bislang aber darauf beschränkt, sich danach zu erkundigen: beim Herzog von Norfolk, bei den Hinterbliebenen der Familie Seymour und sogar bei Bessie Blounts Witwer, Lord Clinton. Früher oder später werden sie mit ihrer Schnüffelei den Weg zu mir nach Kent gefunden haben.
    So, nun habe ich alles gesagt, bis auf eines. Nicht William Carey, Euer vorgeblicher Vater, hat das Tagebuch
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