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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt
Autoren: Anna Gavalda
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Hand.
    Unser Leben entgleitet uns, aber das ist nicht schlimm. Es ist nicht so wichtig.
    Optimal wäre nur, wenn wir es früher wüßten.
    »Früher« als was?
    Früher.
    Zum Beispiel, bevor man die Zimmer rosa streicht.
    Pierre hat recht, warum Schwäche zeigen?
    Um Schläge einzustecken?
    Meine Großmutter hat oft gesagt, einen guten Ehemann hält man mit kleinen Leckerbissen. Davon bin ich weit entfernt, Großmama, davon bin ich weit entfernt. Zum einen kann ich nicht kochen, und außerdem hatte ich noch nie den Wunsch, jemanden zu halten.
    Na gut, Mädchen, das ist dir geglückt!
    Ich genehmige mir einen Cognac, das muß ich feiern.
    Eine Träne und dann ab ins Heiabett.

Der nächste Tag kam mir ziemlich lang vor.
    Wir gingen spazieren. Wir fütterten die Pferde im Reitzentrum mit Brot und blieben lange Zeit bei ihnen. Marion kletterte auf das Pony. Lucie wollte nicht.
    Ich hatte das Gefühl, einen ziemlich schweren Rucksack zu tragen.
    Am Abend war Theater angesagt. Was habe ich für ein Glück, jeden Tag Theater. Diesmal auf dem Programm: Das kleine Mädchen, das nicht Weglaufen spielen wollte. Sie gaben sich sehr viel Mühe, um mich abzulenken.
    Ich schlief schlecht.
    Am nächsten Morgen war meine Stimmung umgeschlagen. Es war zu kalt.
    Die Mädchen flennten bei der kleinsten Gelegenheit.
    Ich hatte versucht, sie abzulenken, indem ich auf Steinzeitmenschen machte.
    »Schaut her, wie es die Menschen in grauer Vorzeit angestellt haben, um Nesquick zu machen. Sie stellten den Topf mit der Milch auf das Feuer, ja, genau so. Und den Toast? Nichts einfacher als das, die Scheibe Brot auf einen Gitterrost und hopp, über die Flammen damit – aufgepaßt! Nicht zu lang, gell, sonst haben wir Kohle. Wer will mit mir Steinzeitmenschen spielen?«
    Sie waren nicht interessiert, sie hatten keinen Hunger. Was sie wollten, war dieses Mistding von Fernseher.
    Ich habe mir die Finger verbrannt. Marion fing an zu heulen, als sie mich schreien hörte, und Lucie leerte ihren Kakao über das Sofa.
    Ich setzte mich wieder hin und stützte meinen Kopf in die Hände.
    Ich träumte davon, ihn abzuschrauben, ihn vor mir auf die Erde zu stellen und dranzutreten, damit er so weit wie möglich davonflog.
    So weit, daß er nicht wiederzufinden wäre.
    Aber ich kann nicht einmal richtig schießen.
    Ich würde vorbeitreten, ganz sicher.
    In diesem Augenblick kam Pierre.
    Ihm tue es leid, erklärte er, daß er mir nicht vorher hätte Bescheid sagen können, aber die Leitung sei tot gewesen, und er hielt den Mädchen eine Tüte mit warmen Croissants unter die Nase.
    Sie lachten. Marion griff nach seiner Hand, und Lucie bot ihm einen Kaffee aus grauer Vorzeit an.
    »Einen Kaffee aus grauer Vorzeit? Aber gern, Madame Ötzi-Schötzi!«
    Ich hatte Tränen in den Augen.
    Er legte mir die Hand aufs Knie.
    »Alles in Ordnung, Chloé?«
    Gerne hätte ich nein gesagt, nichts ist in Ordnung, aber ich war so froh, ihn zu sehen, daß ich das Gegenteil behauptete.
    »In der Bäckerei brannte Licht, es ist also kein flächendeckender Stromausfall. Ich will mir das mal näher anschauen. He, Mädels, seht mal, es ist herrliches Wetter! Zieht euch an, wir gehen Pilze sammeln. Bei dem Regen, der gestern herunterkam, werden wir ganz viele finden!«
    ›Mädels‹, damit war auch ich gemeint. Glucksend gingen wir die Treppe hinauf.
    Wie schön es ist, acht Jahre alt zu sein.
    Wir liefen bis zur Teufelsmühle. Ein düsteres Bauwerk, seit Generationen die große Freude kleiner Kinder.
    Pierre erklärte den Mädchen die Löcher in der Mauer:
    »Das hier ist der Abdruck eines Horns – und da vorne sind die Spuren seiner Hufe.«
    »Warum hat er mit seinen Hufen gegen die Mauer getreten?«
    »Oh – das ist eine lange Geschichte. Er war nämlich an dem Tag sehr gereizt …«
    »Warum war er an dem Tag sehr gereizt?«
    »Weil seine Gefangene entflohen war.«
    »Wer war das, seine Gefangene?«
    »Das war die Tochter der Bäckerin.«
    »Die Tochter von Madame Pécaut?«
    »Nein, doch nicht die!! Ihre Ururgroßmutter vielleicht.«
    »Ach?«
    Ich zeigte den Mädchen, wie man aus Eicheln Puppengeschirr herstellt. Wir fanden ein leeres Vogelnest, Kieselsteine, Kiefernzapfen. Wir pflückten Schlüsselblumen und brachen Haselnußzweige ab. Lucie sammelte Moos für ihre Puppen, und Marion wich ihrem Großvater nicht von den Schultern.
    Wir brachten zwei Pilze mit nach Hause. Beide verdächtig!
    Auf dem Rückweg war das Lied der Schwarzdrossel zu hören und die neugierige Stimme
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