Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
vollkommen verloren. Ich – du hast recht, ich werde meine Chefin anrufen.«
    »Wer ist deine Chefin?«
    »Eine Freundin, na ja, ich glaube, ich will mal sehen …«
    Ich band meine Haare mit einem von Lucies alten Haarbändern zusammen, das ich in meiner Hosentasche gefunden hatte.
    »Du kannst ihr ja sagen, daß du ein paar Tage Urlaub brauchst, um dich um deinen griesgrämigen alten Schwiegervater zu kümmern«, schlug er vor.
    »Ja, griesgrämig und gebrechlich werde ich sagen. Das klingt seriöser.«
    Er lächelte und blies über seinen Kaffee.
    Laure war nicht da. Ich stammelte ihrer Assistentin etwas vor, die einen Anruf auf der anderen Leitung hatte.
    Dann zu Hause angerufen. Die Nummer des Anrufbeantworters gewählt. Belanglose Nachrichten.
    Was hatte ich erwartet?
    Und schon wieder kamen die Tränen. Mein Schwiegervater trat ein und ging sofort wieder hinaus.
    Ich sagte mir: »Okay, jetzt wird noch einmal richtig geheult, dann ist es gut. Noch einmal Rotz und Wasser heulen, die letzte Träne herausquetschen, diesen großen traurigen Körper ein für allemal auswringen, und dann eine Seite weiterblättern. Einen Fuß vor den anderen setzen und noch einmal von vorn anfangen.«
    Man hatte es mir schon hundertmal gesagt. Denk an was anderes. Das Leben geht weiter. Denk an deine Töchter. Du darfst dich nicht gehenlassen. Reiß dich zusammen.
    Ja, ich weiß, ich weiß es genau, aber glaubt mir: Ich schaffe es nicht.
    Vor allem, was heißt das denn: leben? Was soll das denn heißen?
    Meine Kinder, was kann ich ihnen denn bieten? Eine Mama, die humpelt? Eine verkehrte Welt?
    Ich will gern morgens aufstehen, mich anziehen, etwas essen, sie anziehen, ihnen zu essen geben, bis zum Abend durchhalten und sie mit einem Gutenachtkuß ins Bett bringen. Das kann ich gern tun. Jeder kann das. Aber mehr nicht.
    Erbarmen.
    Mehr nicht.
    »Mama!«
    »Ja«, antworte ich und schneuze mich in den Ärmel.
    »Mama!«
    »Hier bin ich, hier bin ich.«
    Lucie baute sich vor mir auf, im Nachthemd unter ihrem Mantel. Sie hielt ihre Barbiepuppe an den Haaren und wirbelte sie im Kreis herum.
    »Weißt du, was Opa gesagt hat?«
    »Nein?«
    »Er hat gesagt, daß wir zu McDonald’s gehen.«
    »Das glaube ich nicht«, antworte ich.
    »Doch, das stimmt aber! Das hat er von ganz allein gesagt.«
    »Wann?«
    »Grad eben.«
    »Ich dachte, er kann solche Läden nicht ausstehen, McDo…«
    »Neeein, das stimmt gar nicht. Er hat gesagt, daß wir einkaufen gehen und daß wir dann zu McDonald’s gehen, sogar du, sogar Marion, sogar ich und sogar er!«
    Sie nahm mich bei der Hand, als wir zusammen die Treppe hinaufgingen.
    »Weißt du was, ich habe fast gar nichts zum Anziehen hier. Wir haben alles in Paris vergessen.«
    »Das stimmt«, gebe ich zu, »wir haben alles vergessen.«
    »Und weißt du, was Opa gesagt hat?«
    »Nein.«
    »Er hat zu Marion und mir gesagt, daß er uns was kauft, wenn wir einkaufen gehen. Und daß wir uns die Sachen selber aussuchen dürfen …«
    »Aha?«
    Ich zog Marion an und kitzelte sie dabei am Bauch.
    Unterdessen steuerte Lucie, die auf der Bettkante saß, langsam, aber unaufhaltsam auf ihr Ziel zu.
    »Er hat gesagt, daß er einverstanden ist.«
    »Einverstanden womit?«
    »Einverstanden mit dem, was ich von ihm haben will.«
    O Schreck.
    »Was willst du denn von ihm haben?«
    »Barbiekleider«
    »Kleider für deine Barbie?«
    »Für meine Barbie und für mich. Die gleichen für uns alle beide!«
    »Du meinst doch nicht diese schrecklichen glänzenden T-Shirts!?«
    »Doch, und alles, was dazugehört: die rosa Jeans, die rosa Turnschuhe, wo Barbie draufsteht, die Strümpfe mit den kleinen Schleifchen. Du weißt schon – da – mit dem kleinen Schleifchen ganz hinten.«
    Sie zeigte mir ihren Knöchel.
    Ich legte Marion wieder hin.
    »Suuuperrrrr«, sagte ich, »du wirst suuuperrrrrrrr aussehen!!!«
    Sie zog eine Schnute.
    »Sowieso, alles, was schön ist, findest du immer häßlich.«
    Ich lachte und küßte sie auf ihren herzallerliebsten Schmollmund.
    Verträumt schlüpfte sie in ihr Kleid.
    »Gell, ich werde schön aussehen?«
    »Du bist schon schön, mein Schatz, du bist schon jetzt sehr, sehr schön.«
    »Ja, aber dann noch mehr.«
    »Meinst du, das ist möglich?«
    Sie denkt nach.
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Okay, dreh dich um.«
    Mädchen, was für eine schöne Erfindung, überlegte ich, als ich sie kämmte, was für eine schöne Erfindung.

Als wir in der Schlange vor der Kasse standen, gestand mir mein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher