Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman
Autoren: Lawrence Hill
Vom Netzwerk:
erst drei oder vier Regenzeiten
alt war, sich um ein Baby kümmerte, dessen Mutter anderes zu tun hatte. Einmal
jedoch schlug mich Fanta, die jüngste Frau des Häuptlings, weil sie mich dabei
erwischt hatte, wie ich versuchte, ein Baby an meiner Brust saugen zu lassen.
    In meiner achten
Regenzeit hörte ich Geschichten von Männern aus anderen Dörfern, die von
einfallenden Kriegern verschleppt oder sogar von den eigenen Leuten verkauft
worden waren, doch es sah nie so aus, als könnte auch mir so etwas passieren.
Schließlich war ich eine frei geborene Muslimin. Ich kannte einige arabische
Gebete und trug die stolzen Mondsicheln oben auf meinen Wangenknochen. Die
Sicheln sollten mich schöner machen, mich aber gleichzeitig auch als Gläubige
unter den Dorfbewohnern ausweisen. Es gab drei Gefangene im Dorf, drei
Ungläubige, und sogar die Kinder wussten, dass es einem Muslim nicht erlaubt
war, einen anderen Muslim gefangen zu halten. So glaubte ich, sicher zu sein.
    Auch mein Vater sagte,
dass es so sei, als ich mit all den Geschichten zu ihm kam, welche die Kinder
im Dorf sangen: dass irgendwer irgendwann nachts kommen würde, um mich aus
meinem Bett zu stehlen. Ein paar von ihnen meinten, jemand aus unserem eigenen
Volk, ein Fulbe, werde es tun, andere warnten mich vor dem Volk meiner Mutter,
den Bambara, und wieder andere redeten von den geheimnisvollen Toubabu, den
weißen Männern, die keiner von uns je zu sehen bekommen hatte. »Hör nicht auf
das, was die dummen Kinder sagen«, beruhigte mich Papa. »Bleib nur nahe bei
deiner Mama und mir und lauf nicht allein durch die Gegend, dann passiert dir
schon nichts.« Mama war nicht ganz so zuversichtlich. Sie warnte Papa davor, so
weite Reisen zu unternehmen, um seinen Schmuck zu verkaufen und in Moscheen zu
beten. Ein- oder zweimal, als ich eigentlich abends längst hätte schlafen
sollen, hörte ich sie streiten. »Reise nicht so weit«, sagte Mama, »es ist
nicht sicher. Und Papa sagte: »Wir reisen in einer Gruppe, mit Pfeilen und
Keulen. Und welcher Mann sollte sich schon mit mir messen wollen?« Worauf Mama
sagte: »Das habe ich alles schon gehört.«
    Mama nahm mich mit,
wenn die Frauen ganz dick und von innen angeschwollen waren. Ich sah zu, wie
sie mit schnellen Handgriffen Babyhälse von Nabelschnüren befreite, sah sie in
Frauen hineingreifen und mit der anderen Hand draußen auf den Leib drücken, um
das Baby zu drehen. Ich sah, wie sie sich die Hände mit Öl einrieb und die
Öffnung der Frau massierte, damit sich die Haut lockerte und nicht riss. Mama
sagte, manchen Frauen werde dort unten etwas weggeschnitten und sie würden nur
schlecht wieder zusammengefügt. Ich fragte, wie sie das meine. Darauf
zertrümmerte sie eine alte, wertlose Tonschale, vermischte die Scherben, nahm
ein oder zwei davon weg und sagte mir, ich solle sie wieder zusammensetzen. Ein
paar Stücke konnte ich zusammenkleben, aber sie waren schartig, ragten vor und
passten nicht richtig.
    »Genau so«, sagte Mama.
    »Was ist mit einer
solchen Frau?«
    »Vielleicht überlebt
sie. Oder sie verliert zu viel Blut und stirbt. Es kann auch sein, dass sie
erst stirbt, wenn sie versucht, ihr erstes Baby auf die Welt zu bringen.«
    Ich sah zu, wenn Mama
Frauen half, ihre Babys zu bekommen. Sie hatte immer eine ganze Reihe
Ziegenlederbeutel dabei, und ich lernte die Namen all der zerstoßenen Blätter,
getrockneten Rinden und Kräuter. Um mich zu testen, versuchte ich
vorauszuahnen, wann sie eine Frau dazu ermutigte, ihren zitternden Körper zur
letzten großen Anstrengung zu bringen. Von der Art, wie die Frau sich bewegte,
wie sie atmete und roch, wie ihr ein fast schon tierisches Geräusch tief aus
der Kehle kam, wenn die Wehen ihren Höhepunkt erreichten, versuchte ich darauf
zu schließen, wann sie zum letzten Pressen ansetzen würde. Mama brachte für
gewöhnlich eine Antilopenblase mit einem Getränk mit, das sie aus bitteren
Tamarinden und Honig gemacht hatte. Wenn die Frau nach etwas zu trinken rief,
füllte ich ein wenig davon in eine Kalebasse und gab sie ihr. Ich war stolz
darauf, helfen zu können, stolz, dass man sich auf mich verlassen konnte.
    Wenn Mama wieder einem
Baby in einem anderen Dorf auf die Welt geholfen hatte, gab ihr die Familie
Seife, Öl und Fleisch, und Mama aß mit den Leuten und lobte mich als ihre
kleine Helferin. Meine erste Nabelschnur habe ich mit sieben Regenzeiten
durchschnitten. Das Messer fest in der Hand, habe ich geschnitten und
geschnitten, bis das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher