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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman
Autoren: Lawrence Hill
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zähe Ding nachgab. Eine Regenzeit später habe ich die
Babys beim Herauskommen in Empfang genommen. Noch etwas später brachte mir
meine Mutter bei, wie man in eine Frau hineinfasste, die Hand mit warmem Öl
eingerieben, und die richtige Stelle fand, um sagen zu können, ob die Tür weit
genug geöffnet war. Ich gewann Erfahrung darin, und Mama sagte, es sei gut,
mich dabei zu haben, weil meine Hände so klein seien.
    Mama begann mir zu
erklären, wie sich mein Körper verändern würde. Bald würde ich zu bluten
beginnen, sagte sie, und um die Zeit herum würden einige Frauen ein kleines
Ritual an mir ausführen. Ich wollte mehr über dieses Ritual wissen. Es werde
bei allen Mädchen gemacht, wenn sie bereit sind, eine Frau zu werden, sagte
sie. Als ich sie drängte, es mir genauer zu erklären, sagte sie, ein Teil
meiner Weiblichkeit werde abgeschnitten, damit ich als sauber, rein und bereit
für die Ehe betrachtet würde. Das beeindruckte mich nicht allzu sehr, und ich
sagte ihr, dass ich es mit dem Heiraten nicht zu eilig hätte und die Behandlung
nicht wolle. Mama sagte, niemand werde ernst genommen, der nicht verheiratet
sei, und dass sie und Papa mir bald schon ihre Pläne für mich erläutern
wollten. Ich sagte, dass ich mich noch an das erinnerte, was sie mir darüber
erzählt habe, wie manchen Frauen ihre Weiblichkeit zerschnitten und nicht
richtig wieder zusammengesetzt würde. Mein Einwand ließ sie so ungerührt, dass
ich mir Sorgen machte.
    »Haben sie es bei dir
auch gemacht?«, fragte ich sie.
    »Natürlich«, sagte sie,
»sonst hätte mich dein Vater niemals geheiratet.«
    »Hat es wehgetan?«
    »Mehr noch als eine
Geburt, aber es dauert nicht lange. Es ist nur eine kleine Berichtigung.«
    »Aber ich habe doch
nichts falsch gemacht, was muss da berichtigt werden?«, sagte ich. Mama lachte
darauf nur, und ich versuchte es mit etwas anderem. »Einige Mädchen haben mir
erzählt, dass Salima aus dem Nachbardorf im letzten Jahr gestorben ist, als sie
es bei ihr gemacht haben.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Das ändert nichts«,
sagte ich und gebrauchte damit einen ihrer Ausdrücke. »Aber stimmt das?«
    »Die Frau, die es bei
Salima gemacht hat, war eine Närrin. Sie war ungeübt und wollte zu viel. Ich
kümmere mich um dich, wenn es so weit ist.«
    Wir beendeten das Thema
und hatten nie wieder die Möglichkeit, darüber zu sprechen.
    In unserem
Dorf gab es einen starken, freundlichen Mann namens Fomba. Er war ein Woloso , wie in
der Sprache meiner Mutter ein Gefangener in zweiter Generation genannt wurde.
Seit seiner Geburt schon gehörte er unserem Häuptling. Fomba war kein frei
geborener Muslim und lernte nie richtig auf Arabisch zu beten, aber manchmal
kniete er sich mit Papa und den Gläubigen hin und sah in Richtung der
aufgehenden Sonne.
    Fomba hatte muskulöse
Arme und dicke Beine. Er war der beste Schütze des Dorfes. Einmal habe ich
gesehen, wie er sechzig Schritte von einem Baum zurücktrat, auf dem eine
Eidechse saß, den Bogen spannte und seinen Pfeil abschoss. Er traf die Eidechse
mitten in den Leib und nagelte sie an den Baum.
    Der Häuptling schickte
Fomba jeden Tag auf die Jagd und erließ ihm dafür das Säen und Hirseernten.
Fomba schien die Regeln und Abläufe der Feldarbeit sowieso nicht ganz zu
begreifen und auch nicht zu wissen, wie man in einer Gruppe zusammenarbeitete.
Die Kinder liefen Fomba gern durchs Dorf hinterher und beobachteten ihn. Er
hielt den Kopf meist komisch zur Seite geneigt, und manchmal gaben wir ihm ein
Tablett mit leeren Kalebassen und sagten, er solle es auf dem Kopf balancieren,
nur um zu sehen, wie sie ihm herunterrutschten und auf den Boden krachten.
Fomba ließ das wieder und wieder mit sich machen.
    Wir ärgerten ihn
gnadenlos, aber er schien es uns nicht übel zu nehmen. Er lächelte nur und ließ
Sachen mit sich machen, die uns von jedem anderen Erwachsenen in Bayo eine
Tracht Prügel eingetragen hätten. Manchmal versteckten wir uns hinter einer
Mauer und beobachteten Fomba heimlich, wie er mit der Asche eines Feuers
spielte. Das war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Lange nachdem die Frauen
ihr Kochen beendet, wir unsere Hirsebällchen mit Soße gegessen und die Töpfe
mit Bananenblattasche gesäubert hatten, kam Fomba mit einem Stock und stocherte
in der Asche herum. Einmal fing er fünf Hühner mit einem Fischernetz. Er holte
eines nach dem anderen daraus hervor, drehte ihnen die Hälse um, rupfte und
säuberte sie, nahm sie aus, steckte sie
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