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Ich habe abgeschworen

Ich habe abgeschworen

Titel: Ich habe abgeschworen
Autoren: Mina Ahadi , Sina Vogt
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Jahrhundert, Ehrenmorde gerade in islamischen Gesellschaften und Parallelgesellschaften stattfinden. Denn der politische Islam deckt sich zu 100 Prozent mit dem hinter Ehrenmorden – und Genitalverstümmelung – stehenden Denken. Die Frau als fleischgewordene Versuchung für den Mann muss gebändigt werden. Ihre Jungfräulichkeit ist das Symbol dafür, ob dies den Männern und Müttern des Hauses gelingt. Mehr zum Objekt kann eine Frau kaum noch werden. Es geht in keiner Weise um die Frau und ihre Lust (einmal ganz davon abgesehen, dass die Fixierung auf das Jungfernhäutchen weibliche Sexualität komplett auf den Geschlechtsverkehr reduziert), sondern um die Macht der Männer über diesen Körperteil und die Frau.
    Nicht nur in der ländlichen Türkei, auch in Deutschland gelten bei vielen hier lebenden Muslimen Blutflecken auf dem Laken aus der Hochzeitsnacht als bestandener Ehrentest. Am Beginn des Zusammenlebens zweier Menschen stehen weder Liebe noch Begehren, nur Beweislast und Pflichterfüllung durch den Geschlechtsakt. Necla Kelek beschreibt in ihrem Buch Die verlorenen Söhne , dass beide Ehegatten unter diesem Stress stehen, und erzählt von einem jungen Mann, der ob der Pflicht der Hochzeitsnacht impotent wurde. Als er dies im Morgengrauen seiner Tante gestand, ging diese kurzerhand in das Schlafzimmer, riss der Braut die Beine auseinander und entjungferte sie mit den Fingern. Dann zog sie das Laken ab und zeigte es der draußen wartenden Familie. Egal wie – die Ehre muss gewahrt werden.
    Die Geschichten vieler junger Frauen, die ermordet wurden, weil sie verdächtigt worden waren, keine Jungfrau mehr zu sein, werden nie bekannt werden. Manche waren tatsächlich entjungfert, ob freiwillig oder mit Gewalt, bei anderen war das Hymen noch völlig intakt.
    Wir wissen nicht, wie viele Frauen verinnerlicht haben, dass jedes Lustempfinden ihrerseits »des Teufels ist«. Denn manche Muslima ist sogar stolz, ihre Sexualität gottgefällig zu leben: Ihrem Ehemann zu Diensten zu sein und Mutter zu werden, ist in ihren Augen tatsächlich Sinn ihrer Sexualität, Lustempfinden dagegen ist westlich, unrein und sündig.
    Hatun Sürücü ist sogar dem von ihrem Vater ausgesuchten Ehemann in die Türkei gefolgt, hat also ihrem Vater alle Ehre gemacht. Aber die Unterordnung der Frau muss das ganze Leben währen, ein Ausbrechen wird zu jeder Zeit bestraft. Das ist die gemeinsame Botschaft bei Steinigungen wegen Ehebruchs wie auch dem Mord an Hatun Sürücü.
    Am 28. August 2007 wurde der Freispruch der zwei älteren Brüder der Ermordeten vom Bundesgerichtshof aufgehoben, eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin muss die Beweise in einem neuen Verfahren gegen die beiden Angeklagten neu bewerten. Das lässt mich hoffen, dass die Menschen in Deutschland beginnen, genauer hinzusehen. Manchmal noch unsicher, gefangen in ihrer Angst, etwas Falsches zu tun, etwas, was als rassistisch gelten könnte. Aber ich bin überzeugt, dass sie es immer öfter tun werden, nicht zuletzt das Interesse am Zentralrat der Ex-Muslime zeigt das.
    Mitarbeiterinnen von Frauen- und Mädchenhäusern sowie Beratungsstellen und Terres des Femmes berichten von einer Zunahme der versuchten Ehrenmorde in den letzten drei Jahren. Dies kann auch daran liegen, dass die Betroffenen durch die erhöhte Berichterstattung öfter ermutigt werden, zu fliehen. Dennoch sterben Frauen auch in Deutschland immer wieder im Namen der Ehre. Auch ungeklärte Todesfälle, wie der der 17-jährigen Kausar aus einer mittelgroßen Stadt im Westen Deutschlands, lassen Fragen nach einem möglichen Ehrenmord aufkommen. Kausar, deren Eltern pakistanisch und vor allem streng muslimisch sind, weigerte sich, ein Kopftuch zu tragen. Sie hatte sich mit 17 Jahren in einen Jungen verliebt, der nicht von den Eltern als Ehemann ausgesucht war. Sie wurde von Bruder oder Vater zur Schule gebracht und abgeholt. Eines Tages stürzte sie aus dem Fenster der elterlichen Wohnung und starb an den Verletzungen. In ihrem Magen wurde ein Reinigungsmittel gefunden, welches sie getrunken haben muss. Niemand in der Schule hatte sie für selbstmordgefährdet gehalten, auch wenn ihre Lebenssituation äußerst schwierig war. Lehrerinnen, die nachfragten, wurde von der Schulverwaltung gesagt, sie zerstörten die Bemühungen um Integration, sie sollten die andere Kultur akzeptieren. Eine Lehrerin versuchte, mit Kausars Mitschülerinnen muslimischer Herkunft zu reden, sie schwiegen. Vielleicht wird die
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