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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Tahereh H. Mafi
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willst du mich auch noch aussperren?«
    Ich schließe die Augen und konzentriere mich aufs Atmen. »Du kannst mit mir reden. Fass mich nur nicht an.«
    7 Sekunden Stille gesellen sich zu diesen Worten. »Vielleicht will ich dich aber anfassen.«
    15 000 Varianten von Misstrauen sind in mein Herz gestanzt. Ich werde gelockt vom Leichtsinn, sehne mich verzweifelt verzweifelt verzweifelt nach etwas, das ich niemals bekommen kann. Ich kehre ihm den Rücken zu, aber meine Lippen spucken weiter Lügen aus. »Vielleicht will ich das aber nicht.«
    Er macht ein harsches Geräusch. »So sehr verabscheust du mich?«
    Ich fahre herum, so überrumpelt von seinen Worten, dass ich mich vergesse. Er starrt mich an, hart und verbissen, lässt die Arme hängen, beugt die Finger. Seine Augen zwei Eimer voll Regenwasser: tief, frisch, klar.
    Verletzt.
    »Du weißt nicht, was du da redest.« Ich habe Mühe zu atmen.
    »Du kannst nicht einfach mal eine Frage beantworten, oder?« Er schüttelt den Kopf und wendet sich der Wand zu.
    Mein Gesicht eine ausdruckslose Gussform, meine Arme und Beine mit Gips gefüllt. Ich fühle nichts. Ich bin nichts. Ich bin ganz und gar leer. Ich werde mich nie mehr bewegen. Ich starre auf eine kleine Ritze neben meinem Schuh. Die will ich nun für immer anstarren.
    Die Decke sinkt zu Boden. Die Welt verschwimmt vor meinen Augen, meine Ohren verlagern jedes Geräusch in eine andere Dimension. Meine Augen fallen zu, meine Gedanken treiben dahin, meine Erinnerungen treten mich ins Herz.
    Ich kenne ihn.
    Ich habe mich so sehr bemüht, nicht mehr an ihn zu denken.
    Sein Gesicht zu vergessen.
    Diese blauen blauen blauen Augen aus meinem Kopf zu verbannen, aber ich kenne ihn ich kenne ihn ich kenne ihn, vor 3 Jahren habe ich ihn zuletzt gesehen.
    Ich könnte Adam niemals vergessen.
    Aber er hat mich schon längst vergessen.

7
    Ich erinnere mich an Fernseher, offene Kamine, Keramikwaschbecken. An Kinokarten, Parkplätze, Geländewagen. Friseursalons, Feiertage, Fensterläden, Löwenzahn, den Geruch frisch asphaltierter Zufahrten. An Zahnpastawerbung, Frauen mit hochhackigen Schuhen, alte Männer in Anzügen. An Postboten, Büchereien, Schulbands, Weihnachtsbäume.
    Ich erinnere mich, dass ich 10 Jahre alt war, als die Lebensmittel knapp wurden und man nicht mehr einkaufen konnte, weil alles so teuer war.
    Adam spricht nicht mehr mit mir.
    Vielleicht ist das am besten so. Vielleicht war es Unsinn, darauf zu hoffen, dass wir Freunde sein könnten. Vielleicht ist es besser, wenn er glaubt, ich mag ihn nicht. Er verbirgt vieles, das Schmerz sein könnte, aber manchmal machen mir seine Geheimnisse Angst. Er sagt mir nicht, warum er hier ist. Aber ich erzähle ihm auch nicht gerade viel.
    Dennoch dennoch dennoch .
    Gestern Nacht reichte die Erinnerung an seine Umarmung aus, um meine Schreie zu verscheuchen. Die Wärme fürsorglicher Arme, die Kraft fester Hände, die meine Bruchstücke zusammenhielten, die Befreiung und Erlösung von so vielen Jahren Einsamkeit. Diese Gabe kann ich ihm nicht vergelten.
    Juliette zu berühren ist nahezu unmöglich.
    Ich werde das Grauen im Blick meiner Mutter, die Qual auf dem Gesicht meines Vaters, die Angst in ihrer beider Augen nie vergessen. Ihr Kind war ist ein Monster. Vom Teufel besessen. Von der Dunkelheit verflucht. Unheilig. Ein Alptraum. Arzneien, Tests, medizinische Versuche scheiterten. Psychologische Kreuzverhöre scheiterten.
    Sie ist eine Waffe auf zwei Beinen , eine Bedrohung für die Gesellschaft , sagten die Lehrer. So etwas haben wir noch nie erlebt , sagten die Ärzte. Sie sollten sie nicht mehr im Haus haben , sagte die Polizei.
    Kein Problem, sagten meine Eltern . Ich war 14, als sie mich endlich loswurden. Als sie tatenlos zusahen, wie ich weggeschleppt wurde wegen eines Mordes, den ich ohne mein Wissen begangen hatte.
    Vielleicht ist die Welt besser dran, wenn ich eingesperrt bin. Vielleicht ist Adam besser dran, wenn er mich hasst. Er sitzt in der Ecke, die Fäuste vorm Gesicht.
    Ich wollte ihn nicht verletzen.
    Ich wollte niemals den einzigen Menschen verletzen, der mich niemals verletzen wollte.
    Die Tür fliegt auf, 5 Männer stürmen herein, mit Gewehren im Anschlag.
    Adam springt auf, und ich erstarre zu Stein. Ich vergesse einzuatmen. So lange habe ich nicht mehr so viele Menschen gesehen, dass ich wie betäubt bin. Ich sollte schreien.
    » HÄNDE HOCH, FÜSSE AUSEINANDER, MUND HALTEN. NICHT BEWEGEN, DANN SCHIESSEN WIR NICHT .«
    Ich kann mich nicht
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