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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Tahereh H. Mafi
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schaut auf. »Es ist gut, dass du schreibst. Eines Tages wird das verboten sein.«
    Ich beginne zu zittern. Mein Körper gerät plötzlich in einen Mahlstrom aus Gefühlen, mein Hirn wird gepeinigt von der Welt, die ich verliere, und gequält von diesem Jungen, der sich nicht an mich erinnert. Der Stift taumelt zu Boden, und ich umklammere die Decke so fest, dass sie beinahe zerreißt. Eis schlitzt meine Haut auf, Grauen verklumpt meine Adern. Ich hätte nie geglaubt, dass es so schlimm kommen würde. Ich hätte nie geglaubt, dass das Reestablishment so weit gehen würde. Sie vernichten die Kultur, die Schönheit der Vielfalt. Die neuen Staatsbürger werden zu Nummern gemacht, die man im Handumdrehen austauschen, entfernen und wegen Widerstand vernichten kann.
    Wir haben unsere Menschlichkeit verloren.
    Ich ziehe die Decke fest um meine Schultern, bis ich umhüllt bin von dem Zittern, das meinen Körper erschüttert.
    Mein Verlust an Selbstbeherrschung ist mir unerträglich. Aber es gelingt mir nicht stillzuhalten.
    Plötzlich liegt seine Hand auf meinem Rücken.
    Seine Berührung brennt sich durch die Stoffschichten, und ich atme so ruckartig ein, dass meine Lunge streikt. Ich treibe in tosenden Strömen der Verwirrtheit, will unbedingt, unbedingt unbedingt, dass er mir nah bleibt dass er auf Abstand geht. Ich weiß nicht, wie ich mich von ihm entfernen soll. Ich will mich nicht von ihm entfernen .
    Ich will nicht, dass er sich vor mir fürchtet.
    »Hey.« Seine Stimme ist so sanft so sanft so sanft. Seine Arme sind stärker als alle Knochen in meinem Körper. Er zieht mich an seine Brust, und ich zersplittere. 2 3 4 50 000 Gefühlssplitter bohren sich in mein Herz, schmelzen zu warmen Honigtropfen, die all die Narben in meiner Seele glätten. Nur die Decke trennt Adam und mich, und er zieht mich noch dichter an sich, fester, stärker, bis ich die dunklen pochenden Töne in seiner Brust hören kann und seine stählernen Arme um meinen Körper alle Bänder der Anspannung in meinen Gliedern durchtrennen. Seine Wärme lässt die Eiszapfen schmelzen, die mich von innen heraus aufrecht halten, und ich taue taue taue, meine Lider flattern, bis sie zufallen, bis stumme Tränen über mein Gesicht strömen, bis ich ganz sicher bin, dass nur eines fest bleiben soll, und das sind seine Arme um meinen Körper. »Es ist gut«, flüstert er. »Bald geht’s dir wieder besser.«
    Die Wahrheit ist eine neidische missgünstige Mätresse, die niemals schläft, doch das sage ich ihm nicht. Mir wird es nie wieder besser gehen.
    Jede zerfetzte Faser meines Wesens muss ich aufbringen, um mich von Adam zu lösen. Ich tue es, weil ich es tun muss. Um ihn zu schützen . Jemand sticht Gabeln in meinen Rücken, als ich wegstolpere. Mein Fuß bleibt in der Decke hängen, und ich falle beinahe hin, aber Adam stützt mich. »Juliette –«
    »Du darfst mich nicht anfassen.« Mein Atem ist flach und sperrig, meine Finger zittern so heftig, dass ich sie zur Faust balle. »Du darfst mich nicht anfassen. Das geht nicht.« Meine Augen fixieren die Tür.
    Er steht auf. »Warum nicht?«
    »Es geht einfach nicht«, flüstere ich den Wänden zu.
    »Ich versteh das nicht – wieso redest du nicht mit mir? Den ganzen Tag sitzt du in der Ecke und schreibst und schaust überallhin, nur nicht auf mich. Diesem Papier hast du so viel zu sagen, aber ich stehe hier, und du tust, als sei ich nicht da. Juliette, bitte –« Er greift nach meinem Arm, und ich drehe mich weg. »Kannst du mich nicht wenigstens mal anschauen ? Ich will dir nichts tun –«
    Du erinnerst dich nicht an mich. Du weißt nicht mehr, dass wir 7 Jahre lang auf derselben Schule waren.
    Du erinnerst dich nicht an mich.
    »Du kennst mich nicht.« Meine Stimme klingt tonlos, flach; meine Glieder fühlen sich taub an, amputiert. »Wir sind seit zwei Wochen zusammen in diesem Raum, und du glaubst mich zu kennen, aber du weißt gar nichts über mich. Vielleicht bin ich ja wirklich verrückt.«
    »Bist du nicht«, sagt er mit zusammengebissenen Zähnen. »Das weiß ich.«
    »Dann bist du es vielleicht«, sage ich langsam. »Denn einer von uns beiden muss es sein.«
    »Das stimmt nicht –«
    »Sag mir, warum du hier bist, Adam. Wieso bist du in einer Irrenanstalt, wenn du nicht hierhergehörst?«
    »Diese Frage stelle ich dir, seit ich hier bin.«
    »Vielleicht fragst du zu viel.«
    Ich höre, wie er heftig ausatmet. Dann lacht er bitter. »Wir sind quasi die einzigen Menschen an diesem Ort, und nun
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