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Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Titel: Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
Autoren: Leo Martin
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untergehen. Obwohl ich in den letzten Jahren an meiner Ungeduld gearbeitet hatte, hörte ich mir ungern akribische Schilderungen belangloser Ereignisse an. Wenn es um einen Fall ging, ja, dann konnte ich nicht genug Details kriegen. Das Intervall der Ampelschaltung an der Georgenstraße im Vergleich zu dem an der Belgradstraße gehörte nicht dazu. Auch nicht, wenn eine hammermäßige Rothaarige im Z3 nebenan saß.
     
    Tichow stieg aus. »Du willst immer spazieren gehen, nur, damit ich in deinem Auto nicht rauche! Scheiß drauf, ist doch ein Dienstwagen!« Er griff sich einen der jungen Maiskolben, drückte ihn prüfend, brach ihn aber nicht ab, und zündete sich eine Kippe an. Dann gingen wir los. Endlich erzählte Tichow die Geschichten, die für mich interessanter waren. In seiner Berliner Clique war ein Typ aus St. Petersburg aufgetaucht, der ständig mit einem Oleg telefonierte, von dem er irgendwelche Anweisungen erhielt. Tichow konnte noch nicht sagen, worum es ging, doch die Sache konnte Potenzial haben. »Kann ich dir nicht erklären, Leo. Ist nur so ein Gefühl. Da bleib ich dran.«
    »Sonst noch was?«, fragte ich. So richtig konkret war das nicht, aber egal. Beim nächsten oder übernächsten Mal oder nächsten Monat würde er mehr dazu wissen. Agentenalltag. Tichow war immer für eine Überraschung gut. Davon abgesehen war sein »Gefühl« ein verdammt treffsicherer Instinkt. Seine feine Spürnase hatte schon einige Fälle im Vorfeld gewittert.
    Als alle aktuellen Fälle abgehakt waren und wir zum Wagen zurückgingen, lenkte ich das Gespräch zu privaten Themen. Die Abschöpfung war für mich beendet.
    »Was machst heut noch?«, fragte ich ihn.
    »Ich geh jetzt auf ’n Bier zu Wasilij.«
    »In den Zockerladen am Hauptbahnhof? Da hängst du aber oft rum in letzter Zeit.«
    »Das ist kein Zockerclub«, widersprach er empört. »Das ist ein erstklassiges Casino. Und wenn Sophia da ist …« Er schnalzte mit der Zunge.
    »So heißt also deine neue Flamme«, kombinierte ich.
    »Sehr heiß!«, bestätigte er.
    »Verzock nicht deine ganze Kohle wegen der!«
    »Ich verzock da gar nix, ich geh da mit mehr Kohle raus, als ich rein bin.«
    »Wie meinst du das?«
    »Kennst du Bülent?«
    »Den Chef von dem Busunternehmen neben dem … erstklassigen Casino?«
    Tichow nickte. »Der ist Stammgast. Hat er mich gefragt, ob ich jemand nach Detmold fahre. Bus hat sich nicht gelohnt. Waren nur zwei. Hat mir 150 Euro angeboten. Habe gesagt, bist du blöd. Rechne mal. Brauche ich allein 300 Euro für Sprit. Habe ich 1000 gesagt, hat Bülent 800 gesagt.« Strahlend hielt er mir ein Bündel 50-Euro-Scheine unter die Nase.
    »Bülent gibt dir 800 Euro dafür, dass du zwei Leute in die Pampa fährst?«, staunte ich.
    »900. Ich bin ein sehr guter Fahrer!«
    »Sicher.«
    »Die zwei waren komisch.«
    »Wo kamen die denn her?«
    »Iran, Irak, irgendwo. Habe nichts verstanden.«
    »Wie habt ihr euch unterhalten?«
    »Gar nicht. Bülent hat mir einen Zettel gegeben mit Adresse in Detmold. Kennst du Detmold, Leo? Da gibt es …«
    Nun unterbrach ich ihn doch, ehe er mir die Schwanensee-Ballerina auf dem Plakat des Landestheaters, wegen der er unbedingt noch mal dorthin musste und sich vorübergehend vermutlich brennend für Tanz und Kultur interessieren würde, bis in die letzte
Spitze beschrieb. Bei Tichow gab es mehr Tage, an denen er sich in den letzten Klitzekleinigkeiten verlor als solche, an denen er sich auf das Wesentliche konzentrierte. Womöglich hing das mit seiner Form zusammen. Oder mit dem Thema. Wenn er müde war oder genervt, sprach er auch deutlich schlechter Deutsch, und weniger. Genau, wie dann, wenn er nicht verstehen wollte.
    »Wie alt waren die Männer?«
    »Der eine jünger als ich. Dreiundzwanzig, fünfundzwanzig, der andere um die dreißig.«
    »Also so alt wie du«, erinnerte ich ihn.
    »Aber komische Leute, Leo. Bin ich natürlich schnell gefahren, weil ich wollte zurück. Haben die immer große Augen gemacht«, Tichow riss seine blauen Augen auf, sodass ich befürchtete, sie würden ihm gleich rausfallen. »Hatte schon Angst, die kotzen mir ins Auto. Musste ich langsamer fahren. Unter zweihundert.«
    »Da bist du ja kaum vom Fleck gekommen«, nickte ich mitfühlend.
    Er grinste. Und dann wurde es doch noch interessant. Warum hatte er das nicht gleich erzählt: »Einmal, Leo, sind wir hinter den Bullen hergefahren. Haben die zwei geschwitzt wie Schweine. Alles nass, Gesichter rot. Besonders der Alte. Hat
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