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Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Titel: Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
Autoren: Leo Martin
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Tichow. Auch das
ist eine Sicherheitsmaßnahme, ein Standard, um V-Männer zu schützen. Quellenschutz ist das oberste Prinzip des Nachrichtendienstes. Die Bibel des Agenten. Auch Tichow musste seine Zusammenarbeit mit uns streng geheim halten. Weder seine Frau, seine Freundin, noch seine besten Freunde durften jemals davon erfahren – zu seinem eigenen Schutz. Sollte er unsere Bekanntschaft dennoch offenlegen, würden wir sogar abstreiten, ihn zu kennen. Vermutlich würde ihm sowieso niemand glauben. Ein guter V-Mann hat keine Schwierigkeiten. Das ist seine Lebensversicherung, und auch sie basiert auf seiner Menschenkenntnis. Sobald sein Nebenjob für den Geheimdienst innerhalb des Milieus auffliegt, kann es unangenehm für ihn werden. Er verliert nicht nur seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und sein soziales Umfeld, es kann um alles gehen: sein Leben.

Die erste Spur: der Geruch der Angst
    Um 14:30 Uhr stieg Tichow in meinen dunklen BMW mit den getönten Scheiben.
    »Hallo Leo«, sagte er mit seinem russischen Akzent.
    »Servus«, erwiderte ich.
    Wie immer machte er Anstalten, sich eine Zigarette anzuzünden, und wie immer sagte ich: »Die Viertelstunde wirst du noch aushalten.«
    Grinsend steckte er die Kippe zurück in die Packung. Er hatte gute Laune. Schön. Manchmal war Tichow schwermütig, dann waren die Treffen mühsam. Wenn er gute Laune hatte, sprudelte er nur so heraus und erzählte mir manches, was ich hören wollte, und vieles, was ich nicht hören wollte. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich bei ihm die Perlen zwischen den Zeilen verstecken konnten. Er servierte sie nicht unbedingt auf dem Silbertablett, denn oft wusste er nicht, worin ich eine Perle entdeckte. So blieb ich wachsam, während ich den Wagen über den Mittleren Ring Richtung Westen lenkte. Mit Tichow fuhr ich immer an Orte, an denen wir nicht mit seinen Kollegen rechnen mussten, meist in den Speckgürtel um München. Bei schlechtem Wetter blieben wir im Wagen sitzen, manchmal tranken wir Kaffee bei McDonald’s oder liefen eine Runde zu Fuß. In der Regel dauern solche Abschöpftreffen zwischen sechzig und neunzig Minuten. Ziel der Treffen ist es, die aktuellen News aus dem Untergrund zu erhalten. Wer macht wann, mit wem, welche Geschäfte? Gibt es etwas Neues im Umfeld, Gerüchte, Trends, Tendenzen? All diese Informationen würde Sabine nach unserem Treffen überprüfen. Vieles, das war üblich, würde sich als heiße Luft herausstellen. Doch in einem Dutzend Infos gab es auch immer mal einen Treffer. Heute sah es nicht danach
aus. Tichow quatschte mir während zwanzig Kilometern Autobahn ein halbes Ohr ab. Erzählte mir von einem neuen Restaurant, das er entdeckt hatte, beschrieb mir bis aufs Kleinste gemahlene dunkelgrüne Pfefferkorn, sein Hauptgericht, und das Muster auf den schwarzen Strümpfen der Bedienung. Wie immer, wenn er sich in solchen Details verlor, spürte ich, wie die Unruhe in mir zu brodeln begann. Warum kam er nicht endlich auf den Punkt! Allmählich müsste er doch mal begriffen haben, worum es mir ging und was mich interessierte. Nein, Tichow erzählte, wie er nach Hause gefahren war, welche Schleichwege er diesmal ausprobiert hatte, um sein Navi zu ärgern, und welche Autos um diese Uhrzeit noch unterwegs waren. »Sehr viele Audis bei Ingolstadt!« O Wunder. Obwohl die Verlockung abzuschalten groß war, blieb ich aufmerksam. Ich unterbrach ihn nicht und zügelte meine Ungeduld, indem ich ihm innerlich Anerkennung für seine außerordentliche Beobachtungsgabe zollte. Als ich den Wagen auf einem Feldweg zwischen mannshohem Mais parkte, der daran erinnerte, dass der Sommer sich seinem Ende zuneigte, war Tichow bei seiner neuen Flamme angelangt.
    »Aber du hast doch schon drei Frauen«, erinnerte ich ihn.
    »Ist ja nichts Festes.«
    »Dass dir das nicht zu stressig ist«, wunderte ich mich.
    »Weißt du Leo, Leben ist bunt.«
    »Irgendwann wird dir eine von denen die Hölle so richtig heißmachen. Vermutlich die, mit der du verheiratet bist«, scherzte ich.
    »Die ist weit weg«, grinste er. »Außerdem: Habe ich immer Glück im Leben, Leo. Auch gestern.«
    »Wollen wir da runterlaufen?«, fragte ich ihn. Später, als ich das Gespräch Revue passieren ließ, dachte ich, dass ich hier schon hätte nachfragen sollen. Ich unterließ es wohl, weil ich befürchtete, mein eigentlicher Auftrag, aktuelle Informationen abzuschöpfen, könnte in einem weiteren Schwall zahlreicher Details zu privaten
Nebensächlichkeiten
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