Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, die Chronik

Ich, die Chronik

Titel: Ich, die Chronik
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
muß. Aber ich bezweifele, daß mir die Zeit dafür bleibt. Ich bin umgeben von Feinden. Umgeben von Niedertracht und Heimtücke.
    Ich habe keine Ahnung, wie ich aus diesem Morast entkommen soll. Schon das nackte Überleben gegen diese Übermacht erfordert mein ganzes Geschick, und doch ist mein Ende - das spüre ich - nur aufgeschoben.
    Ich fiebere dem Moment entgegen, da Landru die Maske vollends fallenläßt. Und mir die Gründe nennt, warum er mir all dies angetan hat.
    Ich weiß, es wird fürchterlich.
    Für mich.
    * 
    Mayabs Sonne versank. Die Nacht kehrte ein. Die finstere, erdrückende Nacht, die alles Leben innerhalb der magischen Grenzen zu lähmen schien.
    Die Vampire nicht ganz. Sie waren erschaffen worden, als die Wälle noch nicht existierten. Und jetzt standen sie auf der Plattform des höchsten Tempels. Allein und verlassen, obwohl hier und da ein Priester in ihrer Nähe kaum zu atmen wagte. Solche Gesellschaft änderte nicht das mindeste an der Einsamkeit der Ewigen.
    »Wie hat sie das getan ...?« Atitlas Stimme weckte ihre Schwestern wie aus tiefer Agonie.
    »Du meinst das, was mit Cuyo geschehen ist?« fragte Oriente, ohne den Blick aus der Leere zurückzuholen.
    »Sie hat ihn behext«, sagte Peten. »Er benahm sich wie ...«, sie trat nach dem Kleiderbündel, das vor ihr lag und das der alte Calot getragen hatte - mehr war nicht von ihm geblieben, »- wie eine elende Dienerkreatur!«
    »Aber er lebte«, pflichtete Atitla ihr mit einem Nicken bei.
    In ihrer Nähe lagen die Leichen derer, deren Genick sie gebrochen und so eine Entfaltung des Keims verhindert hatten. Sämtliche Gefangenen waren tot; auch Vador, der einzige Sehende unter ihnen, lag mit glashartem Blick neben einem der Altäre.
    Diesen Befehl des Hohen Vaters hatten sie befolgt. Der andere - die Verbündeten der Tiefen und die letzten Tiefen selbst aufzuspüren, um sie zu richten - hing noch in der Schwebe. Die neue Weisung, hier auf Landrus Rückkehr zu warten, verhinderte seine Ausführung. Die Suche den Priesterknechten zu überlassen versprach wenig Erfolg ...
    Eine Weile herrschte wieder Schweigen zwischen den Schwestern. Bis Oriente zaghaft fragte: »Was können wir tun, damit er unsere Leben schont und uns verzeiht?«
    Atitlas heiseres Lachen wäre schon Antwort genug gewesen, aber sie nannte es auch noch brutal beim Namen: »Wir können nichts mehr tun - gar nichts. Er wird uns nicht noch einmal verzeihen. Ich hatte die Hoffnung, Cuyo könnte Lilith besiegt oder in seine Gewalt gebracht haben - nun ist es umgekehrt. Nun kann uns nichts mehr vor seinem Zorn retten!«
    »Dann müssen wir fliehen!«
    »Wohin?«
    Orientes schlanke Gestalt sank regelrecht ein. Bucklig wie die uralte Frau, die sie in Wahrheit auch war, stand sie da. »Der Wall ist undurchdringlich. Aber vielleicht können wir uns in diesem ... tiefen Reich verstecken. Solange, bis er Mayab verlassen hat. Er wird nicht lange bleiben. Er gehört nicht hierher -«
    »Er wird keinen Stein auf dem anderen lassen und die Erde durchpflügen, um uns zu vernichten!« unterbrach Peten sie mit dumpfer Stimme. »Verstehst du immer noch nicht, wie unverzeihlich in seinen Augen wir gehandelt haben? Wir waren egoistisch, und dieser Egoismus wird uns das Leben kosten.«
    Der Fatalismus ihrer Schwester schien Oriente noch tiefer nieder-zudrücken.
    Atitla wirkte gefaßter. Aber sie widersprach Peten mit keinem Wort, als hätte sie auf den Punkt gebracht, was auch sie dachte.
    »Wir sollen also hier ausharren und warten, bis er uns tötet?« Oriente wankte.
    Ohne darauf einzugehen, sagte Atitla: »Sie sind im Haus des Weltenpfeilers verschwunden. Dorthin flog unser Vater auch mit diesem . .. Buch, dessen Gebrüll ich jetzt noch in meinem Schädel hören kann. Was mag es gewesen sein? Und was will er damit?«
    Weder Peten noch Oriente wußte eine Antwort darauf. Stille senkte sich über den Gipfel des Großen Tempels.
    Schweigen.
    Eine namenlose, nie für möglich gehaltene Angst knebelte die Tyrannen .
    *
    »Es ist wahr: Ich habe gelogen. Du bist nicht ihre Mutter. Du bist nicht einmal in der Lage, Kinder zu gebären. Aber du bist auch nicht wie sie ...«, Landru hält kurz inne und zeigt in abfälliger Manier auf Cuyo, »... sondern wie ich. Wir beide wurden von keinem Kelch gezeugt. Wir waren niemals Menschen, auch nicht als Kinder. Wir sind anders - und werden es bis ans Ende unserer Tage bleiben!«
    Ich blicke zu dem Vampir von Mayab. Er steht zu meiner Rechten, Landru vor mir.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher