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Ich. Die Autobiographie

Ich. Die Autobiographie

Titel: Ich. Die Autobiographie
Autoren: Helmut Berger , Holde Heuer
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Stimmungsschwankungen, Unzuverlässigkeit, Phlegma. Ausgenommen bei meiner Arbeit. Sonst aber mal so, mal so, wie ich mich gerade fühle.
    Und ich bin wirklich ein lieber Mensch. Junge Filmemacher wie Christoph Schrewe und Johannes Brunner sind mir für mein Interesse an ihren Produktionen ewig dankbar. Trotz minimaler Gage war ich bereit, 1992 in Schrewes Film »Boomtown« neben Claudia Wilde, Leon Boden und Gerd Wameling einen neureichen Immobilienhai darzustellen, der mit undurchsichtigen Ost-Geschäften in Berlin zu Geld und Grunewald-Villa gekommen ist. Korruption spielt ebenso eine Rolle wie eine hörige Geliebte, dargestellt von Isolde Barth. In der Rolle des Fieslings konnte ich mich richtig austoben. Ein Fahrradkurier, der meine miesen Geschäfte beobachtet, bringt mich am Ende zum Schweigen.
    Bei Brunner, schon hochdekoriert, aber wie viele Jungfilmer zu knapp bei Kasse, sollte ich meinen dritten König Ludwig II. spielen und die letzte Szene seines nassen Todes im Starnberger See als abstrakte und sehr schöne Kunstinszenierung erleben. Sie hätte zu den Szenen gehört, die einem als Schauspieler haften bleiben.
    Ich sollte als Ludwig II. die Spiegelgalerie von Schloss Herrenchiemsee durchschreiten, die mit etwa 2000 Kerzen beleuchtet ist. Ludwigs letzter Weg, der direkt in den See führt. In dem Durchschreiten, wie ein Durchgang vom Leben zum Tod, zeigen sich noch einmal die Widersprüchlichkeit seines Wesens und die Tragik seines Lebens. Als »König ohne Macht«, als schwärmerischer und introvertierter Mensch! Der Höhepunkt der Szene wäre erreicht, wenn Ludwig ruhig und gefasst in den dunklen Raum am Ende der Spiegelgalerie blickt – im nächsten Augenblick hört man das gesamte Glas des Spiegelsaals mit einem Schlag zerspringen.
    Der bayerische Märchenkönig ist gleichsam meine Schicksalsfigur. Bei meinem dritten Ludwig wäre ich so schlecht bezahlt wie nie gewesen.
    Die Argumente Brunners über die Verpflichtungen der Kunst gegenüber dem Kommerz hatten mich überzeugt. Johannes Brunner ist der sogenannte Bildhauer der Kunstfilme und Raimund Ritz deren Komponist. Doch ihr Film »vom nassen Tod« kam aus Geldmangel nicht zustande. Die sehr kreativen Jungfilmer haben mit Musikstücken, Klangskulpturen und Kurzfilmen schon Ehrungen aber zu wenig Honorar verdient.
    Dadurch blieb mir ein drohendes Problem bei den Dreharbeiten erspart: Ich wollte beim besten Willen nicht, wie vorgesehen, im Februar für meinen Ertrinkungstod ins Wasser des Starnberger Sees gehen. Um die Zeit ist es dort wohl nicht nur mir zu kalt.
    Die Eiseskälte in diesem Karnevalsmonat war schon bei der Produktion von Viscontis »Ludwig II.« ein Grund gewesen, die Sterbeszene zu verschieben. Obwohl ein Lakai mit einem vorgewärmten Bademantel am Ufer auf mich wartete und Luchino mir warmen Grog servieren ließ – zum Schluss eine ganze Flasche –, bibberte ich vor Kälte und Zorn. Ich bat Luchino, einen Lakaien für die Probeszenen in die Fluten zu schicken. Er weigerte sich. Mit jeder Einstellung wurde ich kälter und böser, forderte mit Grabesstimme Gnade. Endlich, endlich hatte Luchino ein Einsehen. Er verschob die Dreharbeiten für den Ertrinkungstod des Königs auf den Mai. Nach 22 Einstellungen!
    Neue Einflüsse im Filmgeschäft, junge Impulse von Leuten wie Schrewe und Brunner sind notwendig. Dafür verzichte ich schon mal auf meine Gagenvorstellungen. Außerdem belebt Konkurrenz den Markt. Zu viele große Macher sind doch angepasst. Wenn sich ein Genie wie Billy Wilder den von Konzernen wie Coca-Cola beherrschten Filmmärkten verweigert, muss man doch endlich mal anfangen nachzudenken. Ich kann nur zu gut verstehen, dass ein Billy Wilder die Lust verliert, wenn Weltkonzerne als Sponsoren bestimmen, wie das Productplacement zu sein habe und was der Film im Interesse des Firmenimages zu zeigen oder der Regisseur zu schneiden habe.
    Die jungen New Yorker Regisseure mag ich auch. Meine Unterstützung ist ihnen sicher. Aber in den USA leben? Ich finde Hollywood schrecklich, die Plastikwelt, das ganze System, das ich bei meinen vielen Reisen erlebte. Besonders hautnah während meiner Arbeit für den »Denver-Clan«. Die Amerikaner sind puritanisch mit einer doppelbödigen Moral. Sie lächeln sogar noch, wenn sie von einem Trauerfall erfahren.
    Schrecklich, diese ewigen T-Shirts mit »Fuck you« drauf, »Shit«, »Fuck« und »Fuck up yours«! Sie haben die besten Jeans, Hamburger und Fried Chicken, sie sind »business
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