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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten
Autoren: Anouk Markovits
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Wiedersehen ein Vorzeichen für das Wiedersehen mit ihren Eltern, wenn sie einst von den Toten auferstanden.
    Noch am selben Abend schleppte Zalman den Jungen zum Abendgebet in die Synagoge.
    Mila und Atara lagen bereits im Bett, als sie Zalman im Treppenhaus singen hörten und der Schlüssel sich in der Haustür drehte.
    »Er erinnert sich noch aus seiner Kindheit daran! An den Geruch von Hühnersuppe und den Duft von gestärkten Sabbatkleidern, an das Plopp-Pff, wenn die Mutter den Challateig knetet, und die Stille, die bedeutet, dass sie sich den Teig von den Fingern zupft.«
    Mila stieg aus dem Bett und legte ihr Ohr an die Tür. »Er geht in die Küche, doch es ist nicht seine Mutter. Es ist keine von seinen beiden Müttern.«
    »Hannah, ist Josef schon wach?«, rief Zalman am nächsten Morgen aus der Studierstube. »Pass auf, dass er beim Aufstehen alles richtig macht.«
    »Herr, ich danke Dir, dass Du mir meine Seele wiedergegeben hast …«, sprach Hannah dem Jungen vor. »Hast du vergessen, dir vor dem Aufstehen die Hände zu waschen? Wie soll deine Seele wissen, dass du bereit für sie bist? Wenn du schläfst, steigt deine Seele zu ihrem Schöpfer hoch, und ohne Seele wird dein Körper unrein. Nimm den Becher mit der rechten Hand, so ist’s richtig, und jetzt nimm ihn in die linke Hand. Gieße das Wasser über die rechte Hand. Jetzt nimm den Becher wieder in die rechte Hand und begieße die linke Hand. Dann sprich mir nach: Gepriesen seist Du, Adonai …«
    Hannah stellte ein Glas Milch vor den Jungen und zwei gebutterte Brote mit jeweils zwei gesalzenen Tomatenscheiben. »Gepriesen seist Du, Adonai … Nun iss. Guten Appetit.«
    Sie stand zwischen Ofen und Backbrett und blätterte die Seiten des Alphabetbuchs der kleinen Etti durch.
    Etti deutete mit ihrem kleinen Finger auf einen Buchstaben. »Alef!«
    »Josef, an das alef-beth erinnerst du dich sicher noch«, sagte Hannah.
    Der Junge starrte auf die rosafarbene Schleife in Ettis Haar. Er schob seinen Stuhl zurück, rannte aus der Küche und zur Haustür hinaus.
    »Ist er nach draußen gegangen, ohne ein Dankgebet zu sprechen?«, rief Zalman aus der Studierstube.
    »Dränge das Kind nicht«, sagte Hannah.
    »Gottes Geboten gehorchen nennst du drängen?«
    Josef trat mit dem Fuß gegen die Steinstufen im Hof.
    »Ein jüdischer Junge steht nicht faul in der Gegend herum«, rief Zalman durchs Fenster. »Komm zurück ins Haus.«
    Der Junge rührte sich nicht vom Fleck.
    Erst da lief Mila die Treppen hinab und blieb wenige Schritte vor ihm stehen.
    »Anghel? Ich bin’s, Mila.«
    Er machte einen kleinen Schritt auf sie zu. Er blinzelte. Sie machte auf dem Absatz kehrt. Er folgte ihr nach oben.
    Als Zalman dem Jungen während des Sabbatmahls ein Stück Challa reichte, bedankte sich dieser auf Rumänisch: »Mulţumesc.«
    »Am Sabbattisch wird jiddisch gesprochen. Jiddisch ist die Sprache des Herrn«, belehrte ihn Zalman.
    Zwischen den Gängen steckte Josef sich ein Stück Challa in die Tasche.
    »Der arme Junge muss gehungert haben«, flüsterte Hannah später in der Küche, während die Mädchen den Tisch abräumten.
    »Das Challastück ist nicht für ihn«, flüsterte Mila in Ataras Ohr, als sie im Bett lagen. »Es ist für Florina.«
    »Wie soll sie es den Feldarbeitern erklären?«, hörte man Josef am Sonntag hinter der verschlossenen Tür der Studierstube fragen. »Was soll mir zugestoßen sein? Wer war ich?«
    »Der éjberschte wird Doamnă Florina tausendfach entlohnen, in dieser Welt und in der nächsten. Und ich werde dafür sorgen, dass es ihr an nichts fehlt. In Amerika setzt unser Volk Himmel und Erde in Bewegung, das ist der richtige Ort für dich. Bald wird dein Affidavit eintreffen.«
    »Ich will nicht nach Amerika. Was soll ich da? Florina hat mich getauft.«
    Zalman sprang vom Stuhl auf. Nur mit Mühe konnte er sich beherrschen. Er beugte sich vor, bis seine Nase fast den Talmudfolianten berührte, und atmete tief durch. Als er aufblickte, hatte er sich wieder gefasst. »Der Rebbe will in Amerika eine Heilige Gemeinschaft gründen. Er hat nach dir gefragt.«
    »Kann Florina nachkommen, wenn ich auf den großen Feldern in Amerika pflüge?«
    »Ein Junge in deinem Alter studiert die Thora und pflügt keine Felder.«
    »Dann werde ich Florina nicht mehr wiedersehen?«
    »Das weiß nur der Riboine schel Oilem .«
    »Wer ist der Riboine schel Oilem? «
    »Aber Josef … der Herr des Universums. Er hat dich einmal gerettet, und Er wird dich ein
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