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Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)

Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)

Titel: Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
Autoren: Volker Ferkau
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lächelte, als wolle er seine Aussage mit diesem Satz unterstreichen.
    » Handeln und Wahrnehmen sind also keine getrennten Welten. Die Spiegelneuronen überbrücken die Grenze. Spiegeln bedeutet, Mitspüren, Miterleben, Mittun, die eigenen Körpererlebnisse und Erfahrungen benutzen. Der ganze Körper ist daran beteiligt. Er scheint mit dem Körper des anderen Menschen gewissermaßen mit. So entsteht diese mühelose Verbindung, die so vielem menschlichen Zusammenwirken zugrunde liegt, auch der Liebe, wie ich schon sagte.«
    » Die Liebe«, echote Daniela. »Wir haben Oliver so viel davon gegeben.«
    » Und das war gut und richtig so, Frau Strauss«, sagte der Therapeut.
    » Ist das, was Sie sagen, sicher?«, hakte Stefan nach.
    » Absolut, Herr Strauss. Man weiß, dass sogar Tiere so fühlen. Es gab ein dramatisches Experiment mit Rhesusaffen. Die Tiere konnten sich Futter besorgen, indem sie an einer Kette zogen, aber der benachbarte Affe bekam jedes Mal einen leichten Stromschlag. Die Tiere nahmen großen Hunger in Kauf, um sich das zu ersparen. Ein Affe rührte tatsächlich zwölf Tage lang die Kette nicht mehr an.«
    » Affen ... aber Menschen?« Daniela wusste, wie sinnlos ihr Einwand war, aber ihr Herz schlug wie ein Hammer und sie fürchtete, unter der Wahrheit zusammenzubrechen.
    »Oder erinnern Sie sich ans Gähnen. Das ist ansteckend, wir gähnen mit, wir spiegeln. Durch die Empathie flechten wir in unser Streben das Wohl und Wehe anderer mit hinein.«
    » Und davon ist Oliver ausgenommen?«, fragte Stefan, der sich fühlte, als rase er auf einem Schnellboot über das Meer direkt auf eine haushohe Welle zu, ohne sich festhalten zu können.
    » Es hätte sein können, dass Oliver zu jenen Menschen gehört, die ihre Empathie ein- und ausschalten können, wie man das bei Psychopathen beobachtet. Ich habe das sehr genau überprüft. Doch selbst das kann er nicht. Er besitzt schlicht und einfach kein Mitfühlen. Erleben und Erfahrungen sind das Maß aller Dinge. Sie sind der Schlüssel, mit dem wir in die Schatzkammer des Erlebens und der Kenntnisse anderer eintreten können. Ohne ihn – und so ist es bei Oliver – haben wir nur die abstrakte Vorstellung, wir seien einsam in einer öden Welt.«
    » Kann man ... kann man seinen ... Hirnschaden heilen?«, fragte Daniela.
    David Normann schüttelte den Kopf. »Das ist nicht umzukehren, so leid es mir tut. Wir müssen nun überlegen, wie wir Ihrem Sohn helfen können.«
    » Helfen?«, fragte Stefan. »Gibt es tatsächlich Hilfe?«
    Der Therapeut lächelte empathisch. »Ja, die gibt es. Und daran müssen wir jetzt gemeinsam arbeiten.«
     

7
     
    »Wir sind nur gut in der Liebe«, schluchzte Daniela und drückte ihr Gesicht ins Kissen. Dann hob sie den Kopf und stieß zornig hervor: »Wir haben nie gelernt, mit Problemen umzugehen. Wir sind gottverdammt schlechte Eltern. Wir haben unser Kind missbraucht. Mit unserer Liebe missbraucht. Genauso gut hätten wir eine Gummipuppe erziehen können.«
    Stefan streichelte ihr beruhigend den Rücken, doch auch in seinem Kopf loderte es.
    » Ich fühle mich so hilflos«, murmelte er. »Soll ich wirklich so werden wie mein Vater? Soll ich Oliver verprügeln? Ihn bestrafen, wodurch sowieso alles noch schlimmer wird?«
    Daniela beruhigte sich. Sie drehte sich um und stützte sich auf den Ellenbogen. »Das wäre keine Lösung. Aber hin und wieder ...«
    » Na? Sage es.«
    » Hin und wieder habe ich das Gefühl, Oliver wird uns unglücklich machen. Wir wollten ihn so gerne, dass wir nicht objektiv sind.«
    Stefan lachte. »Objektiv? Können Eltern jemals objektiv sein?«
    » Vielleicht nicht, aber wir dürfen nicht übersehen, was er sich jetzt wieder geleistet hat. Ich halte das für ein Alarmzeichen.«
    Stefan gab ihr im Stillen Recht.
    Vor drei Tagen war Oliver elf geworden. Und vor einem Tag hatte er seinem Therapeuten ein Messer in den Bauch gerammt.
     
     
    Sollten sie ruhig denken, es sei ein Versehen gewesen. Er, Oliver, wusste es besser.
    Gott, wie er diese Therapiestunden verabscheute. Das dumme jämmerliche Gelaber von diesem Mann mit einem Bart, mit dem er wie eine Ziege aussah.
    Seit einem Jahr tat Oliver sich zweimal in der Woche je eine Stunde an, in der ihm Bilder gezeigt wurden, die er bewerten sollte, manchmal schlimme, gar grausame Szenen. Und stets war Oliver versucht, den Mann auszulachen. Worauf wartete der Therapeut? Auf Tränen?
    Da konnte er lange warten. Oliver Strauss weinte nicht. Und warum auch?
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