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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse
Autoren: Josh Lieb
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seine Wirkung nicht verfehlt. Randys Lächeln nimmt einen Ausdruck an, den man fast mit Intelligenz verwechseln könnte. Er beginnt: »Gestern Abend habe ich im La Casa eine große Salamipizza gegessen und mit meinem Vater darüber geredet, dass ich einen neuen Pyjama brauche.«

    Verna ist gut. Schon mit dem allerersten Satz hat Randy beide Gerüchte ausgeräumt, die ich in die Welt gesetzt hatte.
    »Dann hat mein Vater mich daran erinnert, was mein Onkel Dave, der Feuerwehrmann ist, am letzten Thanksgiving gesagt hat.«
    Verna ist brillant. Die besonders einfältigen Schüler werden glauben, dass Onkel Dave sie vor der Feuergefahr schützen kann, die angeblich von mir ausgeht.
    »Onkel Dave sagte, das Allerwichtigste, was er in seinem Leben gelernt habe, sei, dass niemand von uns perfekt ist, wir aber alle danach streben müssten, das Beste aus uns herauszuholen.« Er macht eine rhetorische Pause und wirft einen Blick auf seine Notizen. »Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin«, fährt er lächelnd fort und macht eine erneute Pause, um dem Publikum zu signalisieren, dass es ruhig lachen darf. Das tut es. »Ich weiß, dass ich nicht gerade der beliebteste Junge der ganzen Schule bin. In der Cafeteria habe ich so oft allein gegessen, dass ich schon ganz vergessen habe, wie es ist, gleichzeitig zu kauen und zu reden.«
    Er lächelt erneut. Die Affenbande bricht in kreischendes Gelächter aus. So toll war die Pointe nun auch wieder nicht, aber sie hatte Charme. Und sie überspielt Randys größten Makel - dass er der erbärmlichste Typ der ganzen Schule war. Dass er darüber selbst lacht, ist wirklich nicht selbstverständlich.
    Randy blickt wieder auf seine Notizen und hört auf zu lächeln. Verna hat bestimmt »ernst gucken!« an dieser Stelle des Manuskripts notiert. Er lässt seinen würdevollen Blick über die Zuhörer schweifen. »Aber hier geht es nicht um Beliebtheit. Hier geht es um eine
Wahl. Und das bedeutet, dass sogar jemand wie ich eine Chance hat.
    Wir Kinder haben oft das Gefühl, nichts Wichtiges ausrichten zu können. Aber was wir heute tun, ist sehr wichtig. Wir geben unsere Stimme ab. Wir wählen die Leute, die uns das nächste Jahr vertreten sollen. Das ist nicht zum Spaß. Unsere Vorfahren haben gekämpft und ihr Leben gelassen, damit wir uns heute frei entscheiden können. Auch das ist kein Spaß. Das Wahlrecht hat unser Land groß gemacht. Wir waren die erste Nation, die allen Bürgern ein Mitspracherecht gab, wie die Regierung aussehen soll. Wohlgemerkt die Regierung. Nicht ein König oder ein paar Aristokraten oder reiche Leute. Jeder von uns kann daran teilhaben. Und wenn wir von unserem Wahlrecht Gebrauch machen, dann tun wir das in der Gewissheit, dass auch wir wichtig sind. Wer wählt, ist wichtig .«
    Er sieht so aus, als würde er wirklich daran glauben.
    Ich werfe einen kurzen Blick ins Publikum. Die Schwachköpfe haben seine Botschaft gefressen. Das ist gefährlich. Gutgläubigkeit ist ansteckender als Windpocken.
    »Das Wahlrecht sei ein Geschenk, heißt es immer. Das stimmt. Aber es ist nicht nur ein Geschenk, das wir erhalten haben. Es ist ein Geschenk, das wir unserer Regierung machen. Es ist unsere Art, der Regierung unser Wissen und unsere Ansichten darüber zukommen zu lassen, wie die Gesellschaft aussehen soll, in der wir leben. Es ist unsere Art zu zeigen, dass es uns nicht egal ist, was in unseren Schulen, in unserem Land und in der Welt geschieht.
    Wenn unsere Eltern wählen, dann sagen sie nicht einfach: ›Dieser oder jener soll Präsident der Vereinigten
Staaten werden.‹ Sie sagen damit: ›Ich liebe Amerika! ‹<
    Und wenn wir heute unsere Stimme abgeben, dann sagen wir nicht einfach: ›Randy Sparks oder wer auch immer soll Mitglied des Schülerrats werden.‹ Dann sagen wir: ›Ich liebe die Gale Sayers Middle School!‹«
    Applaus. Ohrenbetäubender, dröhnender, unerträglicher Applaus. Jeder im Raum scheint zu klatschen, mit Ausnahme von Vera, die ihre Hände an die Brust gedrückt hat und Randy mit leuchtenden Augen anblickt, die bis zum Rand mit Bewunderung und Verehrung gefüllt sind.
    Randy schaut lange genug auf seine Karteikarten, um den Beifall schließlich abebben zu lassen. Auch das muss ihm Verna eingeschärft haben: »Lass sie erst ganz zur Ruhe kommen, bevor du die entscheidenden Worte an sie richtest.«
    Randy blickt auf, während sich die letzten Hände rühren. »Ich würde euch gern versichern, dass es mir nicht wichtig ist, wen ihr wählt, solange
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