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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse
Autoren: Josh Lieb
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verschaffen, indem ich mich nach meinen Bodyguards umsehe - was ich ständig tun würde, wenn ich wüsste, wer meine Bodyguards sind.
    Doch habe ich einen gewissen Verdacht. Einer meiner Beschützer könnte der muskulöse chinesische Austauschschüler sein, der in alle meine Kurse geht. Niemand kennt seinen Namen, er scheint kein Englisch zu sprechen und rasiert sich zweimal am Tag. Außerdem ist mir die neue Bibliothekarin aufgefallen, die ein Navy-Tattoo an ihrem Fußgelenk hat.
    Sie wissen nicht, dass ich ihr Arbeitgeber bin. Sie wissen nur, dass sie von irgendjemand bezahlt - und zwar überaus großzügig bezahlt - werden, um den gut
aussehenden, ein wenig rundlichen Schüler der Gale Sayers Middle School zu beschützen und alles zu tun, was er verlangt.
    Das ist der einzige Grund, warum ich durch die Korridore unserer Schule gehen kann, ohne von den Dumpfbacken und Spatzenhirnen behelligt zu werden, die sich meine Mitschüler nennen. Das ist auch der Grund, warum mich niemand beachtet, wenn ich meinen Spind öffne, selbst wenn nicht mal einen Meter von mir entfernt eine Horde von Jungs gerade damit beschäftigt ist, Barry Huss, dem kleinsten Jungen der ganzen Schule 13 , die Unterhose bis zum Hals zu ziehen.
    Und mit diesen Kreaturen soll ich mich nach Meinung meines treuherzigen Daddys also anfreunden. Daddy will, dass ich beliebt bin, dass ich gemeinsam mit diesen Vollidioten einen Mannschaftssport ausübe. Sie zum Übernachten einlade.
    Da würde ich die Nacht eher mit einem toten Kaninchen verbringen, dessen Fell voller Flöhe ist.

Kapitel 3
    Man bereitet mir Unannehmlichkeiten
    Ein Mann erbt das Gehirn seiner Mutter, heißt es, aber das stimmt nicht. Meine Mutter ist ebenso geist- wie formlos: mausgraue Haare, dicker Bauch, große Brüste, mehr gibt es nicht zu sagen. Versteht mich nicht falsch, ich habe sie sehr gern. (Liebe ich sie? Bin ich überhaupt fähig, jemand zu lieben? Fragen, die nicht mal ich beantworten kann.) Sie ist sehr nützlich, weil sie mir immer Sandwiches mit gegrilltem Käse macht und mich ins Bett bringt. Ich liebe es, sie zum Lächeln zu bringen, und versuche das sehr oft.
    Mindert das meine Bosheit? Nein. Sogar Graf Dracula hatte eine Mutter. Meine Zuneigung zu »Mom« (sie mag es, so genannt zu werden) ist vielmehr ein hübscher Kontrapunkt zur allgemeinen Verderbtheit meines Charakters. 14
    In diesem Moment fahre ich mit dem Schulbus nach Hause, was bedeutet, dass Mom gerade in der Küche
steht und ein warmes Käsesandwich mit Gewürzgurken für mich zubereitet.
    Dieses Begrüßungssandwich nach der Schule ist vermutlich der Höhepunkt meines Tages. Es ist »Eine kleine, gute Sache«. 15 Leider auch eine Sache, die ziemlich fett macht, und einer der Gründe, warum ich trotz meines blendenden Aussehens möglicherweise ein klein wenig in die Breite gegangen bin.
    Die Busfahrt nach Hause ist der wohlige Auftakt zu diesem käseschmelzenden Nirwana, deren beruhigender Soundtrack sich zuverlässig jeden Tag wiederholt. Meine Mitschüler plappern und schreien wild durcheinander. Tippy, unser Busfahrer mit dem Dreitagebart, grunzt alle dreißig Sekunden: »Hört auf damit!«, während der Hubschrauber rhythmisch über unseren Köpfen knattert.
    Ich sitze auf meiner Bank. Fünfte Reihe von hinten, linke Seite, allein. Immer allein. Das ist einer der Vorteile meiner Lebensweise. Die Kinder, die so alt wie ich oder älter sind, halten mich für einen durchgeknallten Spinner. Den jüngeren Kindern mache ich Angst. So oder so will niemand neben dem Trottel sitzen.
    Es ist Frühling, doch liegt immer noch ein kühler Hauch in der Luft, also greife ich unter die Bank und stelle die Sitzheizung an. Der An- und Ausschalter liegt unter einer erhärteten Kaugummimasse verborgen . Wenn ich den Popel daneben drehe, wird die Bank meinen Pobacken eine sanfte Massage verpassen. Nicht
den grünen Popel, den gelben. Mit dem grünen Popel kann man die Luftzufuhr regulieren. Aber das ist heute nicht nötig - ich bin fast zu Hause.
    Dachte ich jedenfalls. Wenn das animalische Gebrüll meiner Mitschüler um eine Oktave nach oben schnellt, ist das immer das erste Alarmzeichen. Der Bus kommt rumpelnd und quietschend zum Stehen. Jemand schreit: »Da ist Sheldrake!« Stimmt. Alle drängen sich wie verrückt auf einer Seite des Busses zusammen (leider auf meiner), um einen Blick auf den berühmten Mann werfen zu können.
    Lionel Sheldrake ist der drittreichste Mann der Welt, doch lebt er immer noch hier in Omaha.
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