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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin
Autoren: Anne Butterfield
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Deutschen angefreundet und in der Kathedrale haben wir auch gesagt: ›Er könnte es doch sein, oder?‹ Und wir waren uns einig gewesen: ›Ja, könnte er!‹ Aber nach ein paar Minuten haben wir uns angesehen und gesagt: ›Nein, er kann es nicht sein.‹ Was mein Freund heute darüber denkt, weiß ich nicht. Ich muss ihn mal fragen. Aber es ist doch bloß eine Legende, oder?«
    »Und warum bist du dann wieder hier?«, will Alison wissen.
    »Also, wenn ich ehrlich bin, habe ich die Erkenntnisse vergessen, die ich damals gewonnen hatte. Ich bin zurückgekommen, um mir über den Sinn des Ganzen klar zu werden.«
    Alison und Ian kaufen ihre Wanderstöcke, und ich erkunde die kleine Stadt, in der ich vor neun Jahren ein paar Stunden verbracht habe. Eine steile, aber kurze Straße auf dem Weg hinauf zur Porte d’Espagne, einem der Stadttore, kommt mir bekannt vor. Ich gehe durch das Tor und so lange weiter, bis ich auf eine Rechtskurve neben einem weißen Gebäude stoße – den Anfang der Valcarlos-Route, die ich morgen einschlagen werde. Die Route Napoléon zweigt nach links ab, und obwohl sie viel steiler beginnt als die Straße nach Valcarlos, betrachte ich sie voller Sehnsucht.
    Ich stehe ganz still, bis ich mich schließlich an diesen Ort erinnere. Mir fällt ein, welchen Verdruss ich 2001 darüber empfunden habe, dass der Camino gleich zu Beginn so stark ansteigt. Das war nicht fair, fand ich. Doch gleichzeitig ist da unleugbar ein Anflug von Bedauern, weil ich morgen nicht den gleichen Weg einschlagen werde. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich in Betracht gezogen, dass ich eine ganze Tagesetappe auf der Straße radeln werde. Egal, es wird nur dieser eine Tag sein. Erfüllt von der Hoffnung, es werde nicht allzu lange dauern, bis ich mit den anderen Radfahrern wieder auf dem Weg der Wanderer fahren kann, gehe ich zurück in die Stadt. Auf einer Straße, die ich zu erkennen glaube. Sie verläuft an einer Mauer entlang, hinter der Pilger neben ihren Zelten unter Platanen im Gras sitzen und ihr Abendessen zubereiten. Darum also habe ich keinerlei Erinnerung an die Herberge – weil ich vor neun Jahren gar nicht dort war. Ich habe gezeltet, hier, auf dieser Wiese!
    Mike und Ken sitzen vor dem Restaurant Lizarra Ostatua am Place Floquet und essen Pizza. Ich geselle mich zu ihnen und lausche aufmerksam ihren unumstößlichen Plänen. Sie werden nach Santiago zwei Wochen brauchen und wissen ganz genau, wo sie welche Nacht verbringen werden. Kens Frau, die daheim in Lancashire geblieben ist, hat jedes Detail ausgearbeitet, sogar die einzelnen Straßen, die sie benutzen werden.
    »Ich war schon mal hier«, erkläre ich ihnen. »Also werde ich einfach den gelben Pfeilen folgen. Beeilen muss ich mich nicht, weil ich sieben Wochen für den Hin- und Rückweg habe. Ich nehme es einfach, wie es kommt.« Ich frage nicht, ob ich am nächsten Morgen mit ihnen radeln kann, obwohl ich mehr alsalles in der Welt darauf hoffe, gemeinsam mit ihnen aufbrechen zu können.
    Die beiden Rentner aus Blackburn mit zusammen einhundertzwanzig Jahren Radfahrerfahrung lassen mich mein Bier allein austrinken und gehen zurück in die Herberge, um genügend Schlaf zu bekommen. Ich studiere das offizielle Wappen der pyrenäischen Freunde des heiligen Jakobus auf meinem credencial . Kühe, Löwen, eine heraldische Lilie und noch einiges andere vor dem Hintergrund einer Jakobsmuschel. Dann betrachte ich auf der nächsten Seite das heutige sello , das den Totenkopf des heiligen Jakob neben Schafen und einem köcherbewehrten Pilger zeigt. Waren die Herausforderungen für mittelalterliche Pilger so groß, dass sie sich bewaffnen mussten, um dem Tode zu trotzen? Das Memento mori in Gestalt des Schädels des heiligen Jakob und der Pfeile des Pilgers gehören freilich einem vergangenen Zeitalter an: Gefahr für Leib und Leben sind nicht Gegenstand meiner Gedanken. Jedenfalls noch nicht.

Navarra bis La Rioja
    Saint-Jean-Pied-de-Port – Logroño

    Donnerstag, 10. Juni 2010
    Saint-Jean-Pied-de-Port - La Trinidad de Arre in Spanien | 66,6 Kilometer
    Freitag, 11. Juni 2010
    La Trinidad de Arre - Cirauqui | 34,2 Kilometer
    Samstag, 12. Juni 2010
    Cirauqui - Los Arcos | 37 Kilometer
    Sonntag, 13. Juni 2010
    Los Arcos
    Montag, 14. Juni 2010
    Los Arcos - Logroño | 28 Kilometer
    Dienstag, 15. Juni 2010
    Logroño

Donnerstag, 10. Juni 2010
    Ich radle 66,6 Kilometer von Saint-Jean-Pied-de-Port nach La Trinidad de Arre in Spanien
    Meine Schlafmaske und die
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