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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Autoren: Martin Wehrle
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Folgendes:
    Als die Abrechnung umgestellt wurde, fand wieder eine Schulung für Filialleiter statt – in der Konzernzentrale. Um 10.00 Uhr sollte es losgehen. Ulrike Schramm-de Robertis betrat den Schulungsraum. Alles sah aus wie immer: Tische in U-Form, Flaschen, Gläser, Projektoren, Flipchart. Und doch vermisste die Filialleiterin etwas: die anderen Teilnehmer. Einsam wie Robinson auf seiner Insel saß sie in dem großen Schulungsraum. Hatte sie sich mit der Zimmernummer vertan?
    Schließlich trat eine Schulungsleiterin in den Raum herein. Schramm-de Robertis fragte entsetzt: »Soll ich hier etwa ganz allein geschult werden?« Die Trainerin versprach, die Sache zu klären. Dann kam sie zurück: »Das hat alles seine Richtigkeit.«
    Die ansteckende Filialleiterin erhielt, vielleicht als einzige Mitarbeiterin des Konzerns, eine Einzelschulung, offenbar damit ihre Betriebsratsviren nicht auf andere Filialen überspringen konnten. Quarantäne.
    Wie eine Hexe auf dem Weg zum Scheiterhaufen, so wird eine rechtschaffene Arbeitnehmerin im 21. Jahrhundert behandelt, nur weil ihre Firma den Betriebsrat offenbar für ein Werk des Teufels hält. Gemobbt, schikaniert, fast in den Selbstmord getrieben.
    Betriebsräte leben gefährlich, auch in anderen Firmen. Zum Beispiel schickte das Möbelhaus IKEA eine junge Personalerin zu der Schulung: »Wie kündige ich Schwangeren, Behinderten und Betriebsratsmitgliedern?« 88 Und der eiswürfeläugige Entlassungsanwalt Helmut Naujoks warb für ein Firmenseminar mit der Ankündigung: »In aller Ausführlichkeit erläutere ich Ihnen einen Fall aus meiner Praxis, in dem letztendlich ein 15-köpfiger Betriebsrat zum Rücktritt gebracht werden konnte.« 89
    Eine Kostprobe, wie Psychoterror funktioniert, gab Naujoks bei Kabel BW : Er ließ den Betriebsräten ihre Drohbriefe und Abmahnungen nicht im Betrieb aushändigen, sondern am Wochenende per Bote an den Frühstückstisch senden. Ganze Familien zitterten, wenn es samstags an der Haustür klingelte. Am Ende brach der Betriebsrat auseinander.
    Die Würde des Mitarbeiters kommt beim Mobbing schnell unter die Räder. Ganz egal, ob dieser Irrsinn ihn am Arbeitsplatz überrollt oder ob er nachts auf einem Parkplatz mit quietschenden Reifen heranrast.
    Â§ 36 Irrenhaus-Ordnung: Die Behauptung, dass Betriebsräte in der Mobbing-Statistik als Opfer ganz vorne liegen, lässt sich glasklar wiederlegen: Viele Firmen lassen erst gar keinen Betriebsrat zu!

Irrenhaus-Sprechstunde 18
    Betr.: Warum mich meine Firma von
einem Spion verfolgen ließ
    Ich war Nacht-Busfahrer in einem Verkehrsbetrieb, als wir einen neuen Geschäftsführer bekamen. Er war ein toller Vorgesetzter und machte uns Busfahrern immer wieder bewusst, dass unsere Hauptaufgabe nicht darin bestand, den Bus nach Fahrplan von einer Haltestelle zur anderen zu bewegen, sondern dass es um die Zufriedenheit der Fahrgäste ging. Er erwarb selbst den Bus-Führerschein, fuhr immer wieder Schichten und verstand unsere Arbeit wie kein Chef zuvor. Dauernd lud er uns ein, eigene Ideen einzubringen.
    Mir fiel gleich etwas ein. Nacht für Nacht sah ich, wie sich leichte Verspätungen auswirkten: Die Anschlussbusse fuhren den Fahrgästen vor der Nase weg. Das war nachts besonders ärgerlich, weil es Anschlüsse oft nur im Stundentakt gab. Und so schlug ich vor: »Wir könnten hinter jedem Busfahrer ein Schild aufstellen: ›Sprechen Sie mich gerne an, wenn es knapp mit Ihrem Anschluss-Bus wird. Ich werde für Sie tun, was ich kann.« Der Chef fand die Idee großartig. Vor versammelter Mannschaft lobte er mich und setzte die Idee in allen Nachtbussen um. So klein der Aufwand für uns war, so groß war der Service für die Kunden: Tatsächlich sprachen uns viele Fahrgäste an, meist sehr erfreut über das Schild, und tatsächlich reichte meist ein Funkruf, damit der Kollege noch einen Augenblick wartete. Die winzige Verspätung konnte er auf den leeren nächtlichen Straßen schnell wieder aufholen.
    Leider blieb der neue Chef nur vier Jahre, dann warb ihn ein größerer Wettbewerber ab. Als Nachfolger wurde ein Hard­liner eingesetzt, der die Kunden offenbar nur als Transportmasse sah. Meine Schilder ließ er mit der Begründung abmontieren: »Fahrpläne sind nicht verhandelbar!«
    Â»Aber Ihrem Vorgänger war es ganz wichtig, auf
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