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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
Autoren: Sarah Beth Durst
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Turmhohe Wellen wurden aufgepeitscht, Schiffe umhergeschleudert wie Spielzeug. »Langsamer! Bitte, langsamer!« Auf den Schiffen waren doch Menschen. Er musste langsamer fliegen!
    »Ich muss Schwung holen«, donnerte der Nordwind. Cassie hielt sich mit aller Kraft die Ohren zu. Trotzdem ließ der gewaltige Hall ihren gesamten Körper erbeben. Ihr Unterleib zog sich zusammen und entspannte sich wieder – die nächste Wehe. Bittere Galle stieg ihr die Kehle hoch. Sie würgte sie wieder hinunter. Weiter und weiter raste der Sturm.
    Der Nordwind ließ nach, dünnte zu einzelnen leichten Brisen aus. Cassie rutschte durch die entstehenden Flauten und hing plötzlich frei in der Luft. Schwarzes Wasser strudelte unter ihr. Verzweifelt griff sie nach den Wolkenfetzen, die sich um sie herum aufzulösen begannen. So tief sank der Wind mit ihr, dass sie nur noch Zentimeter über den schäumenden Kronen der Wellen schwebte.
    »Hast du Angst?«, flüsterte er.
    »Nein!«
    Das Wasser berührte ihre Zehen. Cassie sog zischend Luft ein und riss die Füße unter ihren Rock, dessen zerschlissener Saum durch die Wellen gezogen wurde. »Wie weit noch?«, schrie sie. Wenn er noch mehr nachließ …
    »Dort ist es.« Sein Flüstern war kaum noch zu hören. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte Cassie, in dem tobenden Chaos von Grau etwas zu erkennen. Tatsächlich erblickte sie, wenn auch nur ganz kurz, einen riesigen dunklen Schatten, einen finsteren Fleck am Horizont, der sofort wieder vom Sturm verschluckt wurde. Hungrige Wellen leckten an ihren Füßen. Sie trat nach ihnen.
    Ohne Vorwarnung klatschten ihre Beine plötzlich ins Wasser. »Großvater!« Der Nordwind heulte noch einmal kurz auf und blies sie über die wild schäumenden Wogen vorwärts. Als sie das nächste Mal von den strudelnden Tiefen aufsah, rasten geschwärzte Felsen auf sie zu, und der hoch aufragende, massive Schatten verdunkelte den gesamten Himmel. Um sie herum tobte die Brandung. Eine einzelne große Woge trug sie auf den finsteren Strand.
    Die Welle brach, und Cassie stürzte mit ihr, schnitt sich die Knie an spitzen Steinen auf. Salziges Wasser krachte ihr ins Genick, spritzte ihr ins Gesicht. Würgend und hustend kroch sie auf den steinigen Strand und zog sich mühsam auf einen Felsen. Zitternd und bebend streichelte sie ihren Bauch. »Tut mir leid, Kleines. Alles in Ordnung mit dir da drin?«
    Eine weitere Welle raste auf sie zu, und Cassie wurde zur Seite geschleudert. Hustend und salziges Wasser spuckend, kraxelte sie wieder aus der Brandung. Glitschiges Seegras bedeckte die Felsen. Noch eine Welle. Sie krachte gegen ihre Beine, bevor es ihr endlich gelang, sich zum ersten Baum vorzuarbeiten. Schwarz und ohne ein einziges Blatt, wirkte er vollkommen leblos, als wäre er verbrannt. Unkontrolliert zitternd klammerte Cassie sich an den Stamm. »Großvater, geht es dir gut?«
    Der Himmel sah aus, als wäre er über und über mit Wunden und blauen Flecken bedeckt. Die See schäumte tosend auf, und Cassie konnte seinen Atem spüren. Sie nahm es als Antwort auf ihre Frage. Er war noch am Leben. Sie strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. »Sind wir da?« Keine Antwort, aber der Wind blies ihr salzige Gischt ins Gesicht, und sie zuckte zurück. »Ist ja schon gut.« Sie wandte sich um.
    Basaltschwarz erhob sich die Troll-Festung über dem Strand, ein Albtraum in Stein.
    »Oh mein Gott!«, keuchte Cassie. Und plötzlich hatte sie Angst. Mehr Angst als in den Tiefen des eiskalten Ozeans, mehr Angst als verschnürt wie ein Bündel an der Decke von Großvater Walds Hütte, mehr Angst als beim Sprung vom Drachen des Berges. Sprachlos starrte sie auf die Monstrosität, die sich totenstill und drohend über ihr erhob.
    Sich an den leblosen Bäumen festhaltend, kletterte Cassie hinauf zur Festung. Zweige knackten und brachen dann. Zwischen ihren Zehen quoll Seegras hervor. Als sie die Mauer erreicht hatte, krampfte sich erneut ihr Unterleib zusammen, ballte sich wie eine Faust. Sie fiel vornüber und dachte einen schrecklichen Augenblick lang Jetzt kommt das Baby.
    Schweißperlen auf der Stirn, packte sie den nächstbesten Baum, umklammerte ihn ganz fest und wisperte zu ihrem Bauch: »Sei lieb, und ich verspreche dir, dass ich niemals wieder in schwangerem Zustand eine Festung erstürmen werde.« Wieder zogen sich ihre Eingeweide schmerzhaft zusammen. Tränen schossen ihr in die Augen und trübten ihren Blick. Ihr stoßweiser Atem war genauso laut wie die brechenden
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