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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht
Autoren: Christoph Spielberg
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gerade noch mit:

    »... ich sonst etwas für Sie tun kann?«

    Tatsächlich, das konnte er, fiel mir ein.

    »Mit Ihren guten Kontakten in den Nahen Osten, Herr Sommer, könnten Sie mir einen Termin bei einem wichtigen Menschen in der irakischen Botschaft machen?«

    Bei allem, was ich den Jungs vom Verfassungsschutz erzählt oder besser nicht erzählt hatte, das war wahr: Nie wäre ausgerechnet Celine mit einer Bombe herumgelaufen, weder in Bagdad noch sonstwo auf der Welt. Herauszubekommen, was wirklich passiert war, auch das würde ein Weg sein, mit dieser Leere fertig zu werden.

    »Ich melde mich, Dr. Hoffmann. Da kann ich bestimmt etwas vermitteln.«

    Das glaubte ich. Denn immerhin war es Sommer gewesen, der für Celines Transport alle Durchfahrts- und Einfuhrgenehmigungen besorgt hatte. Und das innerhalb nur einer Woche!

Position 53°37'Nord / 09°59' Ost. Hamburg (Germany)

    Stückgutfrachter MS »Virgin of the Sea«

    Eigner: Transoceanic Shipping Company, Panama

    Fracht komplett geladen, Mannschaft komplett. Schiff bereit zum Auslaufen. Zielhafen Karachi, Pakistan.

Kapitel 4

    Ich hatte es nicht weit zur Botschaft der Republik Irak . Sie residiert ganz in meiner Nähe, Riemeisterstraße 20. Eine etwas heruntergekommene Gründerzeitvilla mit Jugendstilornamentik, Eckgrundstück, deshalb leichter zu überwachen.

    Spätestens seit ihrer kurzfristigen Besetzung durch die bis dahin unbekannte Widerstandsgruppe »demokratische irakische Opposition Deutschland« patrouilliert die Polizei vor der Tür, sicher unterstützt von einer irgendwo installierten Videokamera. Die Zeiten der unauffälligen Eisverkäufer auf der anderen Straßenseite, die ihr Eis auch bei strömendem Regen oder klirrender Kälte anboten, sind vorbei. Gut sichtbar hielten die Iraker ebenso ihren Eingang unter Beobachtung. Eigentlich hätten deutsche und irakische Behörden sich auf eine gemeinsame Kamera einigen können, aber ein solches Arbeitsvernichtungsprogramm wäre nicht im Sinn des ohnehin von Stellenabbau bedrohten BND.

    Gestern abend hatte ich mir die Zeit mit dem Studium der Akte »Stand und Defizite im Katastrophen- und Terrorismusschutz in Berlin« vertrieben, zusammengestellt vom guten Dr. Zentis. Tabellen, Diagramme, Statistiken – Dr. Zentis war offensichtlich in seinem Element gewesen. Vollkommen übereilt habe der Berliner Senat nach dem Ende des kalten Krieges die atombombensicheren Bunkerkliniken unter U-Bahnhöfen und Einkaufszentren aufgegeben, die Depots an Notfall-Medikamenten aufgelöst, die Nahrungsmittelbevorratung beendet. Es würden Verbrennungseinheiten, Dekontaminierungseinrichtungen, Reservebetten fehlen.

    Erbarmungslos hatte Zentis die Schwachpunkte aufgelistet. Er kannte alle Fragen, wußte alle Antworten, derzeit ginge schon eine entgleiste U-Bahn oder ein abgestürzter Airbus über die vorhandenen Kapazitäten hinaus. In der Regel zitiert sich Freund Zentis gerne selbst, in dieser Akte allerdings fehlte der an anderer Stelle stolz verkündete Hinweis auf seinen entscheidenden Anteil am Bettenabbau in Berlin als »leitender Arzt des medizinischen Dienstes der Krankenkassen«.

    Für diesen Nachmittag hatte er zu einer ersten Konferenz gebeten, ich freute mich schon jetzt auf das Wiedersehen. Aber es war noch Vormittag, und ich betrat mit einem leichten Beklemmungsgefühl die Botschaft der Republik Irak, schließlich war das, laut US-Präsident, die Vertretung eines Schurkenstaates. Ich beruhigte mich damit, daß man heutzutage dank der allgegenwärtigen Überwachungskameras kaum noch verlorengehen kann in Deutschland.

    In der Eingangshalle wurde ich durch eine elektronische Schleuse gebeten und zusätzlich abgetastet, im weiteren herrschte diplomatische Höflichkeit.

    Sommer hatte Wort gehalten, immerhin empfing mich der Herr Geschäftsträger persönlich: Armanianzug, Krokodillederschuhe, Seidenkrawatte. Die Botschafter Saddam Husseins und ihre Stellvertreter litten offensichtlich nur begrenzt unter dem UN-Embargo.

    Der Einstieg in unser Gespräch stimmte mich ganz optimistisch. Der Herr Geschäftsträger betonte die positive Rolle, die Deutschland in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen seines Landes mit den USA spiele, und es wäre unklug gewesen, ihn darauf hinzuweisen, daß ein Teil dieser »positiven Rolle« wahltaktisch begründet war und ich wie wahrscheinlich alle Deutschen trotzdem sein verbrecherisches Riesenarschloch von Chef zur Hölle wünschte. Lieber lenkte ich das Gespräch auf
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