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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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Sie am Leben lassen.«
    »Genau das wollte ich fragen.«
    »Ich weiß. Alle fragen das.«
    »Garantiert?«, hakte ich nach.
    »Nein«, sagte sie. »Keine Garantie. In Ihrem Alter schon gar nicht. Weiß ich, was Ihr Kreislauf aushält?«
    Sie erlaubte sich ein ironisches Grinsen, mit einem ordentlichen Schuss Sarkasmus.
    »24 Stunden«, bettelte ich.
    »Nicht mal eine Stunde.«
    »Ich meine, ich brauche 24 Stunden. Dann habe ich das Geld.«
    »Wollen Sie mich verscheißern?«
    »Na schön. Ich müsste mal rüber zum Schreibtisch. Ein paar Formalitäten erledigen.«
    »Sie halten alle anderen für Idioten, stimmts . Dabei sind Sie der Idiot. Hier.«
    Sie warf mir die 38er hin. Meine 38er. Wahrscheinlich konnte sie Gedanken lesen. Vielleicht war das in meinem Fall nicht allzu schwierig.
    Ich nahm die 38er, wog sie in der Hand, legte auf sie an. Versuchen konnte ichs ja mal. Dann sagte ich: »Lassen Sie die Waffe fallen!«
    Ihre Augen wurden groß und rund. Sie fing an zu lachen. Tränen liefen über ihr Gesicht.
    »Das glaube ich einfach nicht«, presste sie hervor. »Das kann ich einfach nicht glauben.«
    »Frau Keller. Ich verhafte Sie wegen zweifachen Mordes.«
    »Wie wäre es, wenn Sie mich wegen dreifachen Mordes verhaften würden.«
    »Sie geben also zu …«
    Ihre Miene verfinsterte sich wieder.
    »Warum haben Sie Mike beiseite geschafft?«
    Ihre Miene blieb finster.
    »Keine Mätzchen mehr. Wo ist das Geld?«, fragte sie. Es klang ungeduldig.
    Ich legte meine 38er weg. Die Waffe war viel zu leicht. Sie hatte die Patronen entfernt. Dann streckte ich mich auf dem Bett aus und sagte:
    »Also los. Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
    Ich hoffte, sie würde nicht tun, was sie nicht lassen konnte. Falsch gedacht. Sie steckte mir den Lauf der 22er in den Mund. Sie schien zu allem bereit. Na ja, zu fast allem.
    »Wenn Sie mich so lieb bitten. Ich erfülle Ihnen gern jeden letzten Wunsch.«
    Ich starrte auf ihre Hand, will sagen auf ihren Zeigefinger. Ich schüttelte den Kopf, verdrehte die Augen, schnurrte wie ein Kater. Die 22er blieb, wo sie war.
    »Ihre Frau ist nett«, sagte Sylvia plötzlich und zog den Lauf der Waffe ein Stück zurück. Wahrscheinlich verlangte es sie nach einer Antwort.
    »Ja. Sie kann auch nett sein«, sagte ich.
    »Sie haben sie nicht verdient.«
    »Ach«, sagte ich. Mehr fiel mir dazu nicht ein.
    »Sie sollten den Zweitschlüssel verschwinden lassen.«
    »Ja, mache ich. Versprochen.«
    »Was wollten Sie in der Wohnung?«
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Ich war gerade dort.«
    »Sie? Sieh an.«
    »Um Nachschub für Hannibal zu holen.«
    Natürlich Hannibal. Der war ja auch noch da. Er lag vor dem Bett und folgte unserem Dialog mit mäßigem Interesse. Würde er mir helfen? Wahrscheinlich nicht. Er hielt alle, die ihm Futter hinwarfen, für seine Freunde. So einfach war das für ihn. Für mich war es viel schwieriger. Überhaupt schien das die Formel zu sein: Je größer das Gehirn, desto größer die Schwierigkeiten. Was hatte sich die Natur dabei gedacht? Sie strafte, indem sie gab. Wo war da der Sinn? Ich konnte keinen entdecken.
    »Jemand hat die Wohnung durchwühlt, vor allem die Bibliothek«, durchbrach Sylvia meinen Gedankengang.
    »Was Sie nicht sagen. Wir müssen die Polizei rufen. Ist was verschwunden?«
    »Sie waren das.«
    »Wie kommen Sie darauf? Das würde ich nie …«
    »Warum können Sie nicht einmal bei der Wahrheit bleiben?«
    Wir drehten uns im Kreis. Ein Wiener Walzer der Konversation. Ein Schuss und aus wäre es mit dem Tänzchen. Sylvia konnte nicht schießen. Noch nicht. Erstens wusste sie nicht, wo das Geld war, zweitens hatte sie noch einen kleinen Restzweifel, ob ich das Geld überhaupt hatte.
    Ich drückte den Kopf noch tiefer ins Kissen.
    »Komm her, leg dich zu mir«, lockte ich Sylvia.
    »Besten Dank, ich habe noch vom letzten Mal klebrige Finger.«
    »Klebrige was?«
    »Wir drehen uns im Kreis. Finden Sie nicht?«
    Schöne Übereinstimmung.
    Laut sagte ich: »Entweder Sie schießen jetzt oder Sie lassen mich endlich schlafen.«
    Sie schoss! Zum Glück in die Decke, dann richtete sie die 22er wieder auf mich.
    »Hat es Ihnen gefallen?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Es hat mir nicht gefallen. Wer kommt für die Beseitigung der Schäden auf? Sie etwa? Mein Vermieter wird sich freuen.«
    Nach außen gab ich mich empört. Innerlich war ich am Ende. Es war besser, ihr das Geld zu geben. Zumindest war es nicht schlechter als das Gegenteil. Zuvor
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