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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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Blick auf das Geld. Ich zögerte.
    »Scheiß auf das Geld! Es ist heiß und es klebt Blut dran.«
    Ich hob den Hörer auf und wählte die ersten Ziffern.
    »Die Toten werden nicht wieder lebendig, schon gar nicht, wenn du Proll einschaltest. Du aber könntest endlich aus deinem Totenreich ausbrechen. Oder wie soll man diese Bude sonst nennen, in der du hier langsam, aber sicher verfaulst? Siehst du nicht bereits aus wie dieser verfluchte Gollum , ganz abgesehen von deinen illustren, ins Schizophrene gehenden Selbstgesprächen, mein Schatz.«
    Ich legte den Hörer zurück.
    Bei Proll würde das Geld nur verschwinden, als sogenanntes Beweismittel. Außerdem besaß er bereits einen Teil der Beute. 4.500 Euro. Das musste reichen. Ich konnte das Geld wenigstens in Umlauf bringen. Konnte die Binnennachfrage ankurbeln und die Konjunktur stützen. Außerdem konnte ich für gemeinnützige und andere Dinge spenden. Mir vielleicht sogar ein Patenkind zulegen. Gute Idee. Ich würde meinem Patenkind hin und wieder einen Brief schreiben und Fotos beilegen. Von mir und meiner Detektei, von mir und Hannibal, von mir und …
    Plötzlich wurde mir klar, wie allein ich war. Kein Hund war bei mir. Niemand, mit dem ich meine Freude hätte teilen können. Nicht mal Hannibal. Wo steckte der? In einer Tierpension oder im Tierheim? Jetzt, wo ich ihn hätte verwöhnen können, machte er sich rar.
    Ich stopfte das Geld zurück ins Kissen, zog den Reißverschluss zu, warf das Kissen hinter mich, legte die Füße auf den Schreibtisch und blies Trübsal. Nach einer halben Stunde stand ich auf, nahm das Kissen und ging rüber ins Schlafzimmer. Ich legte mich aufs Bett, schob mir das Geld unter den Kopf. Zwei Sekunden später war ich eingeschlafen.

43
    Sie saß vor mir und lächelte mich an. Sie sah großartig aus. Ihr Mund war üppig und leuchtete tiefrot wie eingefrorenes Blut. Weißen Perlen gleich blitzten die Zähne hervor. Ihre Augen erinnerten an Mandeln. Ich schmolz dahin.
    Ja, sagte ich, ich verzeihe dir. Ein letztes Mal. Verstehst du?
    Verstehe, sagten ihre Lippen.
    Ich bin froh, dass du das verstehst, sagte ich und ließ mich zurücksinken.
    Sie streckte ihre Hand aus und strich mir über das Gesicht.
    Nanu, was ist mit ihrer Hand los. Rau wie Sandpapier. Besser eine raue Hand, die einen streichelt, als eine zarte Hand, die einem die Luft abdrückt, dachte ich
    »Du sollst ihn nicht ablecken, sondern beißen, damit er endlich aufwacht«, vernahm ich eine mir bekannte Stimme. »Hannibal, fass!«
    »Hannibal!«
    Ich öffnete die Augen. Tatsächlich. Hannibal kauerte über mir und leckte an meinem Gesicht herum. Die Situation kam mir bekannt vor.
    »Ist ja gut, mein Alter. Ist ja schon gut.«
    Hanni nahm das als Aufforderung und legte an Zärtlichkeit zu. Guter Hund. Er hatte mich nicht vergessen. Sein soziales Gedächtnis schien hervorragend in Takt zu sein. Überhaupt hatten in dieser Beziehung die Tiere die Nase vorn. Bei den Menschen dagegen war das soziale Miteinander während ihres unaufhaltsamen biologischen Aufstiegs nach und nach auf der Strecke geblieben. Wahrscheinlich war dieser Verlust zeitweilig von Nutzen gewesen. In der Jetztzeit zeigte er sich dagegen eher als Nachteil. Aber die Evolution hatte gesprochen, und sie nahm ihr Wort nicht so rasch wieder zurück. Wenn sie überhaupt etwas zurücknahm, dann nahm sie gleich alles zurück, nicht bloß das Wort.
    Ich schob Hannibal zur Seite. Mein Blick fiel auf eine 22er, Marke Smith & Wesson , dann auf eine Hand und schließlich auf Sylvias Gesicht.
    »Oh«, sagte ich und fühlte, wie mir schlecht wurde.
    Sylvia winkte nur ab. »Sind Sie endlich wach?«
    »Sieht so aus«, sagte ich. »Ich möchte wissen, was Sie hier wollen«, setzte ich hinzu. »Ich kann mich nicht erinnern, Sie eingeladen zu haben, und schon gar nicht …«
    Sie unterbrach mich.
    »Keine langen Reden mehr. Wo ist das Geld?«
    Sie kam gleich zur Sache. Wahrscheinlich nicht zum ersten Mal. Aller guten Dinge sind drei.
    »Nein«, sagte ich.
    »Ja«, sagte sie.
    »Verstehe, verstehe«, brummte ich.
    »Wird ja auch Zeit«, sagte sie.
    »Welches Geld?«, fragte ich.
    »Schwacher Versuch«, sagte sie. »Sehr schwacher Versuch. So was in der Art habe ich erwartet.«
    »Ach, tatsächlich.«
    Ich versuchte, Zeit zu gewinnen. Wofür eigentlich? Die Lage war klar. Sie hatte die 22er, ich hatte das Geld. Ich würde ihr das Geld geben müssen. Und dann …
    »Mal angenommen, ich hätte das Geld und ich …«
    »Ich würde
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