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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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schaute aus dem Fenster, dann wieder zu ihr. Ihr Anblick war der weitaus bessere.
    »Herr Gass ?«
    »Was?«
    »Ich fragte, ob es lange dauern wird.«
    »Womit?«
    »Bis Sie ihn finden werden.«
    »Das kommt darauf an.«
    »Worauf?«
    »Nun ja.«
    »Geld spielt keine Rolle …«
    Es war schön, zu sehen, wie sie bereits über die Millionen verfügte. Sie machte das mit einer gewissen abgeklärten Naivität, einer unangreifbaren Form der Realitätsverleugnung.  
    »Schön, Frau Keller. Vielleicht erzählen Sie mir erst einmal die ganze Geschichte.«
    »Geschichte? Was für eine Geschichte? Wo ist Ihr Hund?«
    »Welcher Hund?«
    »In dem Zeitungsartikel stand, Sie hätten Ihre Fälle mit Hilfe eines französischen Schäferhundes gelöst.«
    »Ach ja, der Hund. Der Typ von der Zeitung meinte, ein Hund würde sich ganz gut machen. Sie wissen doch, wie das mit diesen Zeitungsleuten ist. Reichlich Fantasie, wenig Wahrheit.«
    Sie nickte voller Verständnis. Sehr schön. Das ersparte es mir, das Thema zu vertiefen.
    Fakt war, der Hund existierte. Er hörte, wenn er denn hörte, auf den Namen Hannibal und wohnte seit genau neun Tagen nicht mehr bei mir. Wie es dazu gekommen war? Hannibal und ich hatten Cleo besucht. Fehler. Cleo köderte Hannibal mit einer Dose › Chappi ‹ und schon war es passiert: Er wollte bleiben und Cleo wollte auch, dass er zu ihr zog. Beim Abschied sagte mir Cleo , ich könne Hanni so oft sehen, wie ich wolle. Von anderen Paaren hatte ich solche Sprüche auch schon gehört. Allerdings lehrte die Erfahrung, dass meist nichts dahinter ist. Soviel zu den Themen Hund, Treue und Paarverhalten nach vollzogener Trennung.  
    Jetzt galt es, nach vorn zu blicken. Und das tat ich auch. Ich sah Sylvia tief in die Augen.
    »Wann haben Sie das Geld gefunden, Frau Keller?«
    »Gestern Nacht. Etwa eine Stunde, bevor ich bei Ihnen anrief.«
    »Und …«
    »Was und?«
    »Warum gehen Sie nicht zur Polizei?«
    Sie sah mich erstaunt an.
    »Meinen Sie das im Ernst?«
    Ich seufzte still in mich hinein. Natürlich meinte ich es ernst.
    »Sind Sie schon mal auf den Gedanken gekommen, dass mit dem Geld etwas nicht in Ordnung sein könnte?«
    »Nein«, sagte sie. Es klang wie: Na und.
    Ich wechselte das Thema.
    »Wer ist dieser Mark? Was macht er, wo wohnt er? Wie sieht er aus?«
    Es dauerte noch gut eine Stunde, bis ich alles zusammen hatte. Mark war 27, kurzhaarig, naturblond und sportlich. Sein Body-Maß-Index lag bei etwa 22, was ihn zu einer ziemlich seltenen Spezies in dieser zur Fettsucht und einigen anderen Süchten neigenden Gesellschaft machte. Aber er war noch jung. Ihm stand noch reichlich Zeit zur Verfügung, sich anzupassen. Mark arbeitete als Fachverkäufer für Elektrowaren in einem dieser Riesenmärkte und ließ hin und wieder CDs und DVDs mitgehen, natürlich nur, um sie zu kopieren. Danach stellte er sie in die Regale zurück. Vor der Inventur. Er ging gern ins Kino, zum Italiener, betrank sich hin und wieder sinnlos und wies auch sonst ein eher unauffälliges Verhaltensmuster auf. Etwa drei Mal die Woche besuchte er Sylvia, meist mit eindeutigen, aber nicht unnormalen Absichten. So weit, so gut. Bis auf den BMI ging es hier um den puren Durchschnitt. Wie passten die Millionen dazu? Existierten sie überhaupt?
    »Zeigen Sie mir die Millionen!«
    »Wieso?«
    »Welchen Beruf üben Sie aus, Frau Keller?«
    »Sie glauben nicht, dass das Geld existiert!«
    »Wissen Sie, mit dem Glauben ist das so eine Sache. Für einen richtigen Glauben braucht man auch ein paar grundlegende Gewissheiten.«
    »Ach wirklich.«
    Sie öffnete ihre Handtasche, schob die rechte Hand hinein und holte einen Packen Papier hervor. Der Packen bestand aus vielen einzelnen Scheinen. Alle waren violett und trugen die Zahl 500. Ich holte tief Luft und suchte nach Worten. Frau Keller kam mir zuvor.
    »Das sind hundert 500er. Können Sie rechnen?«
    »Ach …«, sagte ich, um überhaupt etwas zu sagen.
    »Ich habe noch mehr davon.«
    Sie sah mich erwartungsfroh an. Endlich fand ich die Sprache wieder.
    »500 die …, ich meine, 50 die Stunde, plus Spesen, plus Sonstigem.«

3
    Als sie weg war, saß ich noch eine Weile verträumt auf meinem Stuhl. Langsam normalisierten sich Atmung und Kreislauf. In meinem Gehirn dagegen herrschte weiterhin Konfusion.
    Kein Wunder, es ging um 2.173.000 Euro, Frau Keller hatte auch noch den Rest gezählt, und es ging um einen verschwundenen Lover namens Mark.
    Ich drehte und wendete die Geschichte, keine
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